Handlung? Nebensache!

Trier · Schon 1949 begeisterten sich Menschen für die Hörspiele von Francis Durbridge - 2015 gelingt es "Bastian Pastewka und Komplizen", das Trierer Theater zu füllen. Allerdings mit etwas anderen Mitteln als vor 66 Jahren.

 Sprecher und Geräuschemacher in einem: Cathlen Gawlich (links), Bastian Pastewka und Janina Sachau beim Livehörspiel im Theater Trier. TV-Foto: F. Vetter

Sprecher und Geräuschemacher in einem: Cathlen Gawlich (links), Bastian Pastewka und Janina Sachau beim Livehörspiel im Theater Trier. TV-Foto: F. Vetter

Trier. Die Bühne im ausverkauftem Großen Haus des Trierer Theaters ist scheinbar mit Sperrmüll bestückt - ein alter Kühlschrank, diverse Blechteile, Kisten und Wannen. Davor fünf Stühle und etliche Mikrofone. Rauchschwaden steigen auf, und eine Stimme aus dem Off kündigt ein Hörspiel von Francis Durbridge an: "Paul Temple und der Fall Gregory".
Dann betreten Bastian Pastewka und seine "Komplizen" die Bühne: Janina Sachau, Cathlen Gawlich, Kai-Magnus Sting und Alexis Kara werden die nächsten drei Stunden den Krimi "performen". Denn vorlesen, das war gestern. Nicht nur die liebevoll ausgewählten Hintergrundbilder, bei denen sich Szenenfotos der Fernsehkrimis mit den Originalseiten des ursprünglichen Manuskripts abwechseln, vergrößern den Genuss an dieser außergewöhnlichen Kunstform.Das Timing passt


Die gut aufeinander eingespielte Truppe glänzt mit perfektem Timing. Zur jeweiligen Szene werden die passenden Geräusche minutiös und dennoch mit scheinbarer Leichtigkeit eingefügt. Sorgsam wird darauf geachtet, dass der Zuhörer auch genug zu sehen bekommt.
Die zugegebenermaßen sehr antiquierte und nicht wirklich spektakuläre Krimihandlung wird immer wieder unterbrochen, um Hintergründe und Fakten rund um das Hörspiel einzustreuen - hier ist Bastian Pastewka als "Klugscheißer" in seinem Element. Geschickt werden die Rollen der jeweiligen Sprecher und der Geräuschemacher verteilt, so dass es nie zu ausuferndem Gelaber und hektischem Gebaren kommt. Souverän wechseln die Sprecher ihre Rollen, die sie durch Auf- und Absetzen von Mützen oder Brillen signalisieren, obwohl die Vielseitigkeit der Stimmen allein schon ausgereicht hätte, um die wechselnden Charaktere zu erkennen.
Besonders Cathlen Gawlich, die zum ersten Mal mit dabei ist, macht ihre Sache hervorragend. Mal spricht sie eine benommene und aufgeregte Frau, dann einen jungen Burschen. Dazwischen imitiert sie mit einem Handmixer und einer Wasserwanne einen Außenbordmotor oder lässt im richtigen Moment die Gläser klingen, wenn im Nachtclub "Brasil" mit Drinks angestoßen wird. Dort sorgt Kai-Magnus Sting unter anderem in seiner Rolle als bulgarischer Barbesitzer Zola beim Publikum immer wieder für Erheiterung - Marcel Reich-Ranicki lässt grüßen.
Um die Handlung, die wohl den meisten Besuchern zwischenzeitlich völlig egal ist, aufzupeppen, legen Pastewka und seine Komplizen - allen voran Janina Sachau - Gesangseinlagen mit alten Schlagern ein. Das alles ist stimmig und perfekt durchchoreographiert. Zwar wirkt Alexis Kara mitunter etwas angestrengt, aber das mag daran liegen, dass seine große Stärke das Improvisieren ist. Das Format des Live-hörspiels bietet - zumindest bei Pastewka - dafür keinen Platz. Paul Temple ist Präzisionsarbeit. Auch deshalb funktioniert Durbridge heute noch - wie stehende Ovationen am Schluss beweisen.Extra

Paul Temple ist ein Privatdetektiv in Romanen des englischen Schriftstellers Francis Durbridge (1912-1998). Mit seiner Ehefrau Steve löst er seine Fälle mit Kreativität, Intelligenz und aus heutiger Sicht relativ wenig "Action". Paul Temple wurde in den 1930er Jahren zum Rundfunk-Detektiv, später ermittelte er auch auf dem Bildschirm. Von 1946 bis 1952 gab es insgesamt vier Spielfilme. Von 1938 bis 1968 produzierte die englische BBC 29 Paul-Temple-Fälle als Hörspiele. Deutsche Versionen davon brachte in den 50ern und 60ern der NWDR Köln beziehungsweise der WDR heraus. red

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