Heino zieht in den Sängerkrieg

Hamburg · Seit Jahrzehnten macht sich die Musikwelt immer wieder über ihn lustig - jetzt schlägt der Schlager-Veteran zurück. Auf seinem neuen Album "Mit freundlichen Grüßen" singt Heino Songs von Größen wie den Ärzten und auch den Brutalrockern Rammstein. Diese kochen offenbar vor Wut, denn Heino hat nicht um Erlaubnis gefragt.

Hamburg. "Und wie du wieder aussiehst! Löcher in der Nase. Und ständig dieser Lärm. Was sollen die Nachbarn sagen?" Wenn die Ärzte diese Zeilen ihres Hits "Junge" live singen, grölen Tausende Teenager mit und unterstreichen den ironischen Schienbeintritt gegen überzogene Moralpredigten konservativer Eltern. Doch dieses Mal singen nicht die Ärzte, Deutschlands beliebteste Punkband, diese Zeilen. Sondern Heino.
"Einen Spaß erlauben"


Heino, der Schlager-Opa. Heino mit seiner Sonnenbrille und seinem rollenden R. Heino, über den man sich seit Jahrzehnten gerne lustig macht. Auf seinem Album "Mit freundlichen Grüßen", das am 1. Februar erscheinen soll, singt Heino Hits, die nicht aus seiner Welt stammen. "Junge" von den Ärzten gehört ebenso dazu wie "Haus am See" von Peter Fox und sogar "Sonne" von Rammstein. Der 74-jährige Heino hat keinen der Künstler um sein Einverständnis gebeten.
"Er möchte sich natürlich auch einen Spaß erlauben", sagte Heino-Manager Jan Mewes am Donnerstag in Hamburg. "Er möchte den Kollegen, die ihn jahrelang veräppelt haben, auch mal einen Spiegel vorhalten." Sein Album sei aber gleichzeitig als Hommage an die deutsche Rock- und Pop-Musik zu verstehen.
Die Bild-Zeitung meldet, Rammstein geiferten geradezu vor Wut darüber, auf Heinos Scheibe gelandet zu sein. Die Plattenfirma der Ärzte, Hot Action Records, reagierte ruhiger. Es habe nicht für Aufregung gesorgt, dass Heino auf seinem neuen Album den Ärzte-Hit "Junge" zum Besten gibt, hieß es am Donnerstag.
Vor rechtlichen Konsequenzen fürchtet sich das Heino-Management nicht. Solange man Songs nicht verändere, dürfe jeder sie nachsingen, und schließlich behalte Heino Text und Melodie der Original-Lieder auf seinem neuen Album bei. Das scheint auf den ersten Blick unlogisch zu sein. Die Übernahme fremder Inhalte ist ein gefährliches Spiel, das Urheberrecht ist streng. Medienrechtsexperte Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke erklärt, wie die Lage aussieht: "Aus rechtlicher Sicht handelt es sich hier um Coverversionen. Diese darf Heino nur dann aufnehmen und veröffentlichen, wenn ihm die hierzu erforderlichen Nutzungsrechte eingeräumt wurden."
Genau hier liege der Knackpunkt. Die allermeisten deutschen Künstler sind Mitglieder der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema). Das bedeutet, dass nicht mehr sie selbst, sondern die Gema die Einräumung der Nutzungsrechte verwaltet. Solmecke: "Die Gema ist aber grundsätzlich verpflichtet, jedem, der einen urheberrechtlich geschützten Song nutzen will, diese Rechte einzuräumen. Die Künstler haben grundsätzlich kein Mitspracherecht."
Heino muss dabei jede Zeile genauso singen wie im Original. Bearbeitungen oder leichte Abwandlungen des Liedes würden eine Urheberrechtsverletzung darstellen, für die Heino sofort verklagt werden könnte.
Aber schon der Wechsel in ein anderes Musikgenre, also von Rock oder Punk in Schlager, könnte eine solche Bearbeitung darstellen. "Ich halte das für möglich", sagt Rechtsanwalt Solmecke. "Heino begibt sich mit dieser Aktion auf dünnes Eis."Meinung

Die Wut der kleinen Geister
Ein Mann sieht rot, auch wenn er durch seine Brille wahrscheinlich nur schwarz sieht. Heino greift an und wagt sich an Songs, die den Gegnern und Verächtern des Schlagers und der Volksmusik heilig sind. Heino hat zahllosen Punkern und Rockern böse Kindheitserinnerungen hinterlassen. "Schwarzbraun ist die Haselnuss" oder andere Klassiker, die Mutti gern beim Bügeln hörte, waren aber auch wirklich nur schwer zu ertragen. So wurde der Mann mit der Brille zum Inbegriff des sinnfreien und schmalzigen Schlagersängers. Und als solcher musste er einiges aushalten. Heino wurde zur Witzfigur degradiert, karikiert, lächerlich gemacht. Verständlicherweise. Da musste er durch. Und jetzt müssen die bösen Jungs von Rammstein und den Ärzten ertragen, dass Persiflage keine Einbahnstraße ist. Jede Klage gegen das Album "Mit freundlichen Grüßen" wäre nichts anderes als ein Armutszeugnis und der Beweis, dass manche Punker und Rocker offenbar ebenso kleingeistig und konservativ sind wie diejenigen, von denen sie sich abgrenzen wollen. j.pistorius@volksfreund.de

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