Helge Schneider Flachsinn, Blödsinn, Tiefsinn

Trier · Erst sollte er nicht kommen, dann wollte er nicht kommen, dann ist er doch gekommen: Helge Schneider.

 Helge Schneider im  Amphitheater.

Helge Schneider im Amphitheater.

Foto: Hans Krämer

Bodo hatte am Samstag Geburtstag. Eigentlich der beste Tag zum Feiern, muss man am Sonntag doch nicht aufstehen. Also jedenfalls alle Normalos. Aber Bodo konnte nicht feiern. Er musste arbeiten. Sogar abends. Wie gewohnt als Tee-Träger und (fast) stummer Diener. Ein ziemlich krisenfester Job, allerdings ohne nennenswerte Aufstiegschancen. Dafür sorgt schon sein Boss, der Bodo stets barsch in seine Schranken weist beziehungsweise von der Bühne scheucht, wenn er Pfefferminztee nachgegossen hat.

Der Boss ist Helge Schneider. Und damit ist über das Arbeitsverhältnis eigentlich schon alles gesagt. Mit seinem Diener ist er ebenso befreundet wie mit Sandro Giampetro, dem Gitarristen, und seinem Drummer Thomas Alt. Der Vorteil dieses Verhältnisses: Freunde nehmen kein Geld, selbst wenn man sie auf Tourneen mitschleppt. Und die beiden Freunde sind echt gut auf ihren jeweiligen Instrumenten! Das dürfen sie im Laufe des Abends mit tollen solistischen Alleingängen beweisen.

Helge Schneider also. Und damit ist über den Abend eigentlich schon alles gesagt. Der Allround-Clown und Sänger, Klamaukier und Witzereißer, Regie- und Schauspielmeister, Multi-Instrumentalist und Gaga-Fachmann, kurz, ein Gesamtkunstwerk des Blödsinns in all seinen Schattierungen, hat tatsächlich die 256 Kilometer lange Strecke von Mülheim an der Ruhr bis Trier an der Mosel zurückgelegt, um im Amphitheater 500 Menschen, viele davon ergebene Fans, zu bespaßen.

Mehr waren nicht drin, und trotzdem war die Schau ausverkauft. Leere Stühle sind derzeit ja ein unverkennbarer Hinweis auf volle Häuser, auch solche unter freiem Himmel. Selbst dort sollte er zunächst nicht auftreten dürfen, und daraufhin war er so sauer, dass er sich geschworen hatte, nie mehr einen Fuß oder sonst irgendwas nach Rheinland-Pfalz zu setzen (der TV berichtete). Aber er sei ja ein versöhnlicher Mensch, meinte er, und mit einem Strauß Blumen und einem Schächtelchen Pralinen sehr leicht umzustimmen. Und dann habe er sich wirklich auf den Abend gefreut („hoffentlich ist er bald vorbei“, murmelte er nach circa einer halben Stunde ins Mikro).

Bis dahin hatte er allerdings schon einige seiner Schlagerperlen ins Publikum geworfen; etwa den Song vom Papst, der nirgendwo hingehen kann, ohne dass man ihn erkennt und ihm auf die Schulter klopft; den von müdem Reiter, der im Klipp-Klopp-Rhythmus  à la „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“ in die Westernstadt einreitet und mit seinem baldigen Tod rechnet (oder vielleicht auch nicht), oder auch das geradezu gagaesk, nein, kafkaesk anmutende „Ich lebte mein Leben als Knäckebrot, und als ich starb, da war ich tot“.

Das alles ist, unterzieht man es einer genaueren Betrachtung, gewaltig von Sinn durchtränkt, stellt es doch mit unerbittlicher Schärfe die Frage nach der menschlichen, oder besser: Schneider’schen Existenz, mit der er uns erbarmungslos den Spiegel vor die Nase hält. Und ein paar alte Bekannte schlendern ebenfalls, zwischen Nebelwerfer und krähendem Synthesizer, zwischen Steinway-Flügel und Hammondorgel, als Geister mit über die Bühne: Komik-Urvater Heinz Erhardt etwa, die Blödelspezialisten Insterburg & Co., sogar einige Splitter Hanns Dieter Hüsch vermeint man zu hören oder ein paar Brösel Loriot für Spätberufene. Die diversen Ministergangarten muss Schneider sich bei Monty Pythons  „Ministry of silly walks“ abgeschaut haben, und die lautmalerischen Absurditäten beim Rückwärtslesen eines anderen Chansons, in dem es vor allem um exzessiven Computergebrauch geht („suaM eid ekcürd dnu esuaH eztis hcI“) verweisen unmittelbar auf den österreichischen Experimentallyriker Ernst Jandl. Oder zumindest irgendwie.

Natürlich hat Schneider auch für sein Publikum ein paar Schmeicheleien in seiner Aktentasche mitgebracht. Nachdem er sich vergewissert hat, dass man in Trier eine doch recht ähnliche Sprache wie im Rest der Republik spricht, zieht er eine direkte Linie vom Hunsrück über den Yucon zum Yellowstone-Park und vergleicht die Metropole mit Paris und New York. Diese drei Landstriche und Städte gehörten zur internationalen Avantgarde, erklärt er seinem verblüfft lauschenden Publikum. „Aber ihr seid zu doof, um das zu wissen“, macht er den Leuten klar. Und fügt beschwichtigend hinzu: „Doof ist besser als scheiße.“

Zugabe gab‘s übrigens nur eine. Und so war der Abend dann doch schneller vorüber, als manchem Fan lieb sein durfte. Trotzdem schön, dass Sie bei uns waren, Herr Schneider. Blümchen und Pralinen haben also tatsächlich was genutzt.

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