Herodot in dörflicher Idylle

Im alpenländischen Bergdorf St. Peter am Anger ist die Welt stehengeblieben.

Die Mütterrunde kümmert sich um die Organisation von Büfetts bei Dorffesten, während die Männer im Gemeinderat die Interessen des Dorfes wahren. Bei wichtigen Entscheidungen haben die Dorfältesten das letzte Wort. Suspekt sind schon mal alle, die Hochdeutsch sprechen oder das Gymnasium besuchen wollen. So wie Johannes A. Irrwein. Schon sein Großvater, der Bandwurmforscher, hegte große Abscheu gegen die kleingeistige, traditionsbewusste Lebensweise seiner Mitmenschen.
Erst als der Musterschüler Johannes durch die Matura fällt, beginnt er sich für sein Dorf zu interessieren. So wie sein Vorbild, der griechische Geschichtsschreiber Herodot, beginnt er die Chroniken von St. Peter am Anger zu verfassen.
Die 24-jährige Österreicherin Vea Kaiser hat ein phänomenales Debüt geschrieben. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Heimatroman, der aber nicht, wie das Wort vermuten lässt, verstaubt die Geschichte einiger Dörfler erzählt.
Köstlicher Spaß


Mit Schalk im Nacken berichtet Kaiser vom Leben im Bergdorf St. Peter und siedelt dort zwei Menschen an, die sich so gar nicht integrieren möchten. Da sind der Bandwurmforscher Johannes Gerlitzen und sein Enkel Johannes A. Irrwein, die, schlau und wissenshungrig, aus der Enge des in jeder Hinsicht beschränkten Dorflebens fliehen möchten. Die Charaktere der Personen findet man in jedem Dorf wieder, egal ob in den Alpen oder in der Eifel, "Bergbarbaren" gibt es überall. Der Roman entfaltet einen ganzen Mikrokosmos skurriler Typen. Dieses Buch zu lesen ist ein köstlicher Spaß, auch wenn die Autorin sich manchmal der üblichen Klischees über Dorfbewohner und Stadtmenschen bedient.
Die Autorin lebt in Wien und mag nach eigenen Angaben Fußball, Stöckelschuhe und Altgriechisch. sn

Vea Kaiser: "Blasmusikpop oder wie die Wissenschaft in die Berge kam", Kiepenheuer und Witsch, 496 Seiten, 19,99 Euro.

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