Herzblut allein reicht nicht aus

LUXEMBURG. Im Juni 2005 wird die neue Philharmonie auf dem Kirchberg eingeweiht. Mit fast 2000 Sitzplätzen in drei Sälen und Baukosten von 78 Millionen Euro ist sie derzeit das imposanteste Kulturprojekt der Region. Generaldirektor Matthias Naske plant bereits für die Zeit nach der Eröffnung.

Er wirkt freundlich und verbindlich. Trotzdem lässt er sich nicht zum Spielball im Luxemburger Kulturleben machen. Matthias Naske hat klare Vorstellungen, Liebe zur Sache, aber auch professionelle Distanz. Herzblut allein genügt eben nicht zum Musikmanagement. Der gebürtige Wiener hat diese Profession von Grund auf gelernt. In den 80er Jahren betreute er das Gustav-Mahler-Jugendorchester in Wien, war danach Manager der Salzburger Camerata instrumentale, bis er vor sieben Jahren, wieder in Wien, zum Leiter der "Jeunesses musicales" aufstieg.823 Säulen umgeben das großzügige Foyer

Seit Jahresbeginn 2003 fungiert er als Generaldirektor der neuen Philharmonie auf dem Luxemburger Kirchberg. Die wurde von dem katalanischen Architekten Ricardo Bofill entworfen und entsteht auf dem neuen Europa-Platz an der Brücke zur Innenstadt - in der prominenten Umgebung von Staatsbibliothek und Pei-Museum. Der Aufwand für das Gebäude ist für hiesige Verhältnisse immens. 78 Millionen Euro soll der Bau kosten. 823 Säulen umgeben das Licht durchflutete Foyer, das den Zugang zu drei Auditorien eröffnet. Der große Saal mit seinen maximal 1500 Plätzen ist rechteckig wie im Wiener Musikverein. Rechts und links im Innenraum erheben sich je vier gleichfalls rechteckige Türme. In denen befinden sich Logenplätze, sie sollen aber auch die Konzentration auf die Bühne lenken und die Akustik positiv beeinflussen. Die wiederum kann durch mobile Schalldämmplatten an der Decke angepasst werden. Der Raum ist für Sinfonik ausgelegt. Orchester sollen füllig und zugleich transparent klingen. Ans Foyer schließt sich ein muschelförmiger Kammermusiksaal mit 300 Plätzen an. Und als Tüpfelchen auf dem i gilt ein elektroakustischer Raum für 120 Besucher. Die Luxemburger Philharmonie ist nicht nur für die Tradition da, sondern auch fürs Experiment. Am 26. Juni 2005 wird der große Saal mit einem Konzert des Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) und, wie verlautet, einem Auftragswerk von Krzysztof Penderecki eröffnet. Dann bricht für die Kultur der Großregion eine neue Ära an. Nicht nur, was die Zahl der Konzerte angeht, es sollen an die 200 sein. Naske hat zwei Lieblingsbegriffe: "Professionalisierung" und "Marktstimulation". Selbstverständlich konzediert er den heimischen Veranstaltern "ehrliches Bemühen". Aber warum, beispielsweise, habe das OPL nie Marktanalysen gemacht? Außerdem seien Festivalbüros wie das in Echternach völlig unterbesetzt. Und was das Publikum betrifft: Der Konzert-Profi Naske weiß natürlich, dass der Markt keine feste Größe ist, dass sich Nachfrage mit gezielten Angeboten hervorrufen und verstärken lässt. Darauf setzt er. Es gebe für die anderen Veranstalter gar keinen Grund zur Furcht. Ganz einfach: Attraktivere Angebote lockten auch neue Besucher an. Dann profitierten alle von der neuen Philharmonie. Im übrigen ziele er auf Einbindung in die regionale Kultur. Auf allgemeines Wohlwollen ist Matthias Naske nicht gestoßen. Sein Plan, fast zeitgleich zu den Echternacher Festspielen ein eigenes Festival zu veranstalten, stieß bei der Direktion in der Abteistadt auf deutliche Ablehnung. Mittlerweile wurde die Angelegenheit geklärt. Er verstehe sich ja gar nicht als Konkurrenz, sagt er. Nur: Wenn die New Yorker Philharmoniker kämen, könne er natürlich auf Echternach keine Rücksicht nehmen. Auf beharrliches Nachfragen gibt Naske schließlich weitere Projekte preis. Außer den New Yorkern soll das Cleveland-Orchester unter Franz Welser-Möst in der Philharmonie gastieren, Start einer Konzertserie mit den großen Orchestern der Welt. Das Bläserensemble Wien-Berlin wird Mozart spielen. Es soll gezielte Angebote für Kinder und Jugendlichen in drei Altersstufen geben. Und ein "Artist in Residence" ist auch vorgesehen. Besichtigung im Rohbau. Naske zeigt er auf einen kleinen Bereich ganz oben in der Philharmonie. Dort hat er künftig sein Büro- mit weitem Blick über Luxemburgs Hauptstadt.

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