Heute Trier, morgen dort

Trier · Politisch, poetisch, humorvoll: Mit vielen neuen Liedern ist Hannes Wader - Urgestein der deutschen Liedermacher-Szene - vor 600 Besuchern im ausverkauften Theater Trier aufgetreten. Begleitet wurde die Veranstaltung von einer Protestaktion der NPD vor dem Theater.

Trier. Da steht er nun, 71 Jahre alt, und blickt zurück auf seine gescheiterte Karriere: Schlagersänger wollte Hannes Wader als Jugendlicher werden, so einer wie in den USA Dean Martin. "Doch daraus wurde nichts." Stattdessen ist er bis heute einer der profiliertesten deutschen Liedermacher. Sein Konzert im ausverkauften Trierer Theater beginnt er wie fast jedes seit mehr als 40 Jahren: mit "Heute hier, morgen dort".
Sonst hat Wader vor allem viele neue Stücke im Gepäck, manche noch unveröffentlicht, manche so neu, dass er sie sich noch nicht einmal am Vorabend getraut habe, sie zu singen. "Morgens am Strand" etwa - eine leise Ballade über die italienische Insel Lampedusa, die als Anlaufstelle afrikanischer Flüchtlinge traurige Berühmtheit erlangte. Die vermeintliche Idylle wird jäh kontrastiert von einem toten Körper, den das Meer anspült.
Wader, der Linke, lange Jahre DKP-Mitglied, ist noch immer politisch, was die NPD zum Anlass nimmt, vor dem Theater zu demonstrieren (siehe Extra) und dabei Titel ihres hauseigenen Liedermachers Frank Rennicke abzuspielen - ausgerechnet Rennicke, der Wader als sein musikalisches Vorbild benennt und auch schon mal dessen Lieder kopierte. Wader antwortet auf der Bühne musikalisch mit "Boulevard St. Martin", einer Hommage an Peter Gingold, einen kommunistischen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, und mit der schlichten Feststellung "Wir sind auch noch da!" - unter dem Beifall des Publikums.
Poetisch bis humorvoll


Aber Wader hat sich auch verändert. Er besingt den zahnlosen Sänger, der mit der Gitarre vor dem Bahnhof steht und stellt fest: "So wie der bin ich nicht mehr." Und das nicht nur, weil er sich den Zahnersatz leisten konnte. Er ist weniger kämpferisch als früher, vor allem poetisch, oft auch humorvoll. Er singt über seine gescheiterten Versuche als Frauenheld, begleitet vom beschwingten Reggae-Rhythmus, ganz ohne falsche Nostalgie.
Und auch das Thema Tod behandelt er auf seine ganz eigene Art: Mit "weit über 70" werde er immer öfter gefragt, ob er später lieber in die Urne oder in die Erde wolle und ob er schon sein Testament oder eine Patientenverfügung gemacht habe. Er hat sich hingesetzt, um sich ernsthafte Gedanken zu machen, doch auch dabei ist er gescheitert. Alles, was dabei herauskam, ist ein Lied, sein "Lied vom Tod" voller grotesker Ideen im Hinblick auf sein - hoffentlich nicht zu baldiges - Ableben. Mehr als 30 Strophen habe er inzwischen geschrieben, präsentiert aber nur eine Auswahl. Vielleicht Selbstmordattentäter? Aber als älterer Arbeitnehmer hat er da wohl keine Chance mehr auf eine Einstellung. Dann lieber auf dem Sterbebett noch der NPD beitreten. Schließlich sei es doch besser, wenn einer "von diesen Schweinehunden" abkratze, "als ein aufrechter Demokrat".
Als Zugabe nach dem stürmischen Applaus des Publikums holt Hannes Wader dann doch noch einen Dean-Martin-Titel heraus: "Memories Are Made of This", und setzt mit "King of the Road" von Roger Miller noch einen drauf. Der König der Landstraße ist schließlich auch "heute hier, morgen dort". Passt schon.Extra

Vor dem Theater hat am Dienstagabend ein gutes Dutzend NPD-Anhänger das Konzert von Hannes Wader zum Anlass für eine Kundgebung genommen. Sie wandten sich dagegen, dass das Theater Linksradikalen eine Plattform biete. Der Verein Für ein buntes Trier, gemeinsam gegen Rechts hatte dazu eine Gegenkundgebung mit mehr als 100 Teilnehmern organisiert. Sowohl die Demonstrationen als auch das Konzert von Hannes Wader im Theater verliefen ohne Zwischenfälle. daj

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