"Hie wird kein zweites Mal gelebt"

Trier · Frank Martins "Jedermann"-Monologe gelten vielfach als weichlich und sentimental. Völlig zu Unrecht. Bariton Franz Grundheber beschwor im 2. Trierer Sinfoniekonzert eindrucksvoll die Strenge und bestürzende Unerbittlichkeit in dieser Komposition.

Trier. Franz Grundheber singt, und im Trierer Theater wird die Welt ein Stück weit anders. Kurz zuvor noch hatten Generalmusikdirektor Victor Puhl und das deutlich verstärkte Philharmonische Orchester Samuel Barbers "Essay" op. 12 klangfüllig, aber auch mit einer gewissen Schwerfälligkeit abgehandelt. Und selbst der Bläser-Einstieg zu Frank Martins "Jedermann"-Monologen blieb unentschieden und diffus. Aber dann Grundheber. Der große, in Trier geborene und weltweit geachtete Bariton übte eine fast magische Anziehungskraft auf Bühne und Publikum aus. Da verbreitete sich eine atemlose Spannung. Und mit einem Mal legten Puhl und sein Orchester alles Beiläufige ab und begaben sich mit dem Sänger mitten hinein in die Tiefen dieser Komposition mit ihrer Spannung zwischen Hugo von Hofmannsthals mittelalterlich geprägtem Text und Frank Martins neuzeitlicher Musik. Grundheber schärfte Wort-Deutlichkeit und Wort-Ausdruck bis zum Äußersten. Wenn der Jedermann im zweiten Lied schmerzlich erkennt, dass er von seinem Gut nichts hinüber nehmen kann in die andere Welt, dann zeichnet Grundheber dessen Verzweiflung mit bestürzender Intensität nach. Da klingt etwas Unaufhebbares mit, etwas Endgültiges.
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"Hie wird kein zweites Mal gelebt", heißt es im vierten Lied. Und sogar die Erlösungsvision im letzten Stück klingt bei Grundheber nicht milde und salbungsvoll, sondern streng und beinahe abweisend: ohne echte Buße keine Rechtfertigung vor Gott und keine Gnade. Ein Moment von Stille und Nachdenken - erst dann kam der starke Beifall auf.
Nach der Pause war es, als wirkte Grundhebers künstlerische Intensität weiter. Edward Elgars 1. Sinfonie ist ein Schwergewicht - in der Orchestergröße und im künstlerischen Anspruch. Puhl und die verstärkten Philharmoniker nahmen die Herausforderungen in diesem Werk an. Gewiss, die Streicher beschränkten sich im zweiten Satz mit seinen heiklen Sechzehntel-Figuren auf Näherungswerte. Aber insgesamt blieb der Orchesterklang weitgehend frei von Trübungen. Dirigent und Orchester versuchten zudem nicht, die monolithische Wucht in dieser Komposition weiter zu vertiefen. Puhl entfaltete zwar ihre Architektonik, betonte Höhepunkte, zielte auf den abschließenden Choral. Aber er dirigierte auch die Feinheiten aus - die Holzbläser-Einwürfe, die Akzente, die kleinen Crescendi und Decrescendi, die zahlreichen Solopartien. Die Musik atmet. Am schönsten, am eindringlichsten das Adagio mit seinem fast impressionistischen Mittelteil. Welch ein reichhaltiges Werk! Und welch eine überaus dichte und ausdruckstiefe Interpretation! - Starker Beifall. Das ausverkaufte Theater ist bei den Sinfoniekonzerten seit langem schöne Normalität. mö

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