Hochseilakt am Klavier mit viel Technik und wenig Gefühl

In der Luxemburger Philharmonie haben der Pianist Evgeny Kissin und das Orchestre Philharmonique du Luxembourg musiziert. Am Ende gab es viel Beifall trotz mancher Schwächen.

Luxemburg. (er) Die Welt ist voller musikalischer Wunderkinder. Eines davon ist Evgeny Kissin. Zwar ist der 1971 geborene Russe inzwischen dem Kindesalter entwachsen, als geniales Talent gilt er immer noch. Passend zum 100. Geburtstag des Komponisten spielte Kissin in der Luxemburger Philharmonie Frédéric Chopins berühmtes Klavierkonzert Nr.2 in f-Moll opus 21, zusammen mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg. Kissin gilt als schwierig, unwegsam im Umgang. So wirkt er auch in der Pause, als er seine CDs signiert.

Dass er dem Kindesalter entwachsen ist und damit womöglich dem Wunder, hat er schon vorher im Konzert deutlich gemacht. Kissin spielt das Stück im Spannungsfeld zwischen düsteren Unterströmungen und traumverlorener Klangseligkeit mit brillanter Technik, aber kalt und hart. Zum technischen Genie gesellt sich nicht das der Seele und der Empfindung. Das zeigt sich besonders im abschließenden Allegro vivace. Das schillernde Bravourstück wird unter Kissins virtuosen Händen zum atemberaubenden Hochseilakt am Klavier. Nicht eben hilfreich für den Pianisten und stellenweise viel zu laut, präsentierten sich allerdings auch die Luxemburger Philharmoniker. Dem Orchester fehlte - zumindest an diesem Abend - rundum der Feinschliff. Den rauen Streichern mangelte es an Schmelz und Leuchtkraft, dem ganzen Klangköper an Nuancenreichtum.

Gleich zu Beginn ging Felix Mendelssohn-Bartholdys Ouvertüre zum Märchen von der schönen Melusine alles Märchenhafte ab, die Schöne war in Luxemburg eine recht massive Person. Und auch Richard Strauss Tondichtung "Also sprach Zarathustra" geriet allzu bombastisch.

Emmanuel Krivine dirigierte mit fast selbstausbeuterischem Körpereinsatz, bisweilen schien er ins Orchester zu springen. Manchmal liegt das Glück im Detail, denn das Beben und Grollen der Bässe zu Beginn des "Zarathustra", die den Priester ankündigen kam wunderbar an.

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