Höllisches Vergnügen

Trier · Schräge Typen, originelle Kostüme, interessante Requisiten: Jean-Paul Sartres "Geschlossene Gesellschaft" kommt im Theater Trier durchaus unterhaltsam daher, ohne die Intension zu verwischen. Die letzte Studioproduktion der Ära Gerhard Weber glänzt durch großes Schauspiel und pointiert eingesetzten Humor.

 Machen sich gegenseitig das Leben nach dem Leben zur Hölle (von links): Estelle (Friederike Majerczyk), Garcin (Jan Brunhoeber) und Inés (Sabine Brandauer). Foto: Marco Piecuch

Machen sich gegenseitig das Leben nach dem Leben zur Hölle (von links): Estelle (Friederike Majerczyk), Garcin (Jan Brunhoeber) und Inés (Sabine Brandauer). Foto: Marco Piecuch

Foto: Foto: Marco Piecuch

Es ist die Hölle. Drei Menschen, für immer eingeschlossen in einem Raum, gehen aufeinander los, terrorisieren sich, ringen verbal und körperlich um die Anerkennung der anderen - wenn\' s sein muss mit Gewalt und sexuellen Offerten. Das gipfelt in aufgeknöpftem Oberteil und runtergelassener Hose.
Dabei sieht sich Garcin als coolen Helden, auch wenn er im Leben feige war und seine Frau tyrannisiert hat. Nun sitzt er mit zwei Frauen in der Hölle. Scheinbar selbstbewusst tritt Jan Brunhoeber in Annegret Ritzels Inszenierung von Jean-Paul Sartres "Geschlossene Gesellschaft" auf. Und doch schaut er stets auf den Boden, kann seine Zimmergenossinnen nicht ansehen, ist unsicher, auf den guten Leumund der anderen angewiesen.
Herrlich überzeichnet: Friederike Majerczyk als egozentrisches Blondchen im Tüllkleid (Kostüme: Carola Vollath). Als Estelle plappert sie in hohen Tönen, kokettiert mit Brunhoeber, wirft ihm schmachtende Blicke zu. Doch dahinter steckt eiskalte Berechnung - immerhin hat sie ihren alten, aber reichen Mann betrogen, ihr Kind umgebracht und ihren Geliebten in den Selbstmord getrieben. In der Hölle tut sie unschuldig, ist sich keiner Schuld bewusst: "Ist es nicht besser zu glauben, man ist aus Versehen hier?"Jeder ist ein Folterknecht


Bis Inés alle dazu zwingt, ehrlich zu sein und die Vergehen zuzugeben: "Der Folterknecht ist jeder von uns für die anderen." Sabine Brandauer, in schwarzen Shorts, Weste, Krawatte und Bomberstiefeln, spielt die Inés burschikos und gehässig, doch auch hysterisch, als sie bemerkt, dass sie für immer mit den anderen eingeschlossen ist. Inés' Vergehen: Sie hat auf Erden eine junge Frau ihrem Mann entfremdet, woraufhin diese sich und Inés getötet hat.
Völlig emotionslos, fast maskenhaft: Daniel Kröhnert als Kellner, stilecht mit langer Schürze und - eine Anspielung auf den Teufel - hinkend. Die Speisen, die er serviert, sind eher Requisit als Nahrung. Wer braucht schon Essen in der Hölle?
Die Bühne beherrschen Designermöbel: drei Sitzgelegenheiten, drei Stühle, ein Tisch (Bühnenbild: Susanne Weibier). Nette Details: die überdimensionale Uhr, der fackelnde Ofen - die Karikatur des Höllenfeuers -, und die Smartphones, mit denen die drei noch eine Zeitlang das Geschehen auf die Erde verfolgen können.
Die Handlungsstränge, die Ritzel, bis 2008 Intendantin des Theaters Koblenz, in ihre Inszenierung des textlastigen Dramas einwebt, entlarven Garcin, Inés und Estelle als Egoisten. Gleichzeitig haucht die Regisseurin Sartres Figuren Leben und Persönlichkeit ein. Dabei überspitzt sie die Charaktere fast ins Groteske. Das muss nicht gefallen, verleiht dem Stück aber die Leichtigkeit und Situationskomik, die beim Publikum im ausverkauften Studio gut ankommt.
Weitere Termine: 13., 15., 29. Mai, 6., 25. Juni, 7., 17. Juli, jeweils 20 Uhr im Theaterstudio.

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