Hoffen auf die neue Regierung

Im September 2013 hat Stephan Gehmacher die Direktion der Philharmonie von Matthias Naske übernommen. Die TV-Redakteure Dieter Lintz und Martin Möller haben mit ihm über seine ersten Erfahrungen gesprochen.

 Will über Genregrenzen hinwegdenken: Stephan Gehmacher. Foto: Philharmonie

Will über Genregrenzen hinwegdenken: Stephan Gehmacher. Foto: Philharmonie

Herr Gehmacher, acht Monate in Luxemburg: Was waren die wichtigsten positiven und negativen Erkenntnisse?
Stephan Gehmacher: Positiv überrascht hat mich, dass es ein breit aufgestelltes, vielfältiges Publikum gibt, das allerdings auch motiviert werden will. Und wir haben ein starkes, engagiertes Team, mit dem sich sehr zielorientiert arbeiten lässt.
… das waren jetzt die erfreulichen Dinge …
Gehmacher: Ja, richtig Negatives fällt mir nicht ein. Ganz privat war es natürlich eine gewisse Umstellung, wenn man jahrelang in Großstädten gelebt hat und jetzt in einem Luxemburger Vorort wohnt, wo man niemanden sieht, weil die Menschen direkt mit den Autos in ihre Tiefgarage fahren.
Die Philharmonie ist der Riese auf dem Kirchberg, und manche andere musikalische Einrichtung in Luxemburg fühlt sich wie ein Zwerg. Was tun Sie, damit keine Komplexe aufkommen?
Gehmacher: Im Grunde hat jede Institution ihren eigenen Stolz, und die Philharmonie darf die Szene nicht kolonialisieren. Aber wir stellen unsere Möglichkeiten gerne zur Verfügung, um andere Anbieter, die in unser musikalisches Spektrum passen, zu unterstützen. Da werde ich die Linie meines Vorgängers fortsetzen. Wohl wissend, dass man es nie allen recht machen kann.
Man hatte den Eindruck, dass beim Weggang von Matthias Naske doch allerlei Gegrummel hochkam, dass der Philharmonie das luxemburgische Element fehlt …
Gehmacher: Wenn man die größte und teuerste Musikinstitution in einem Land ist, begegnet einem naturgemäß eine gewisse Skepsis, und wir sind gut beraten, wenn wir durch das, was wir tun und anbieten, die Politik und die Menschen zu überzeugen, dass das Geld, das wir kosten, gut angelegt ist.
Die neue Regierung in Luxemburg redet viel von Sparen und Einschnitten. Wackelt da auch Ihre Finanzierung?
Gehmacher: Es war ein visionärer Schritt zu sagen, Luxemburg und die Region brauchen eine Einrichtung wie die Philharmonie. Ich hoffe, dass die neue Regierung das nicht anders sieht.

Ein gewichtiges Argument sind immer die Besucherzahlen. Wie sehen Sie denn die Entwicklung?
Gehmacher: Die Zahlen sind unverändert gut. Wir haben, was das Volumen des Angebots angeht, eine natürliche Grenze erreicht. Worauf wir aber verstärkt Augenmerk legen wollen, ist, das OPL stärker zu positionieren. Im Moment kann man dort die Abokonzerte aufgrund der Zuschauerzahlen nur einfach spielen. Da hoffe ich schon auf Wachstum, aber das braucht mehr als ein, zwei Jahre.
Die Frage an Sie als Orchester-Spezialisten: Wie kann man denn das Profil des OPL schärfen?
Gehmacher: Das Orchester hat in den vergangenen zehn Jahren eine enorme künstlerische Entwicklung gemacht, auch wenn es noch nicht gelungen ist, das umfassend zu kommunizieren. Es sind in den letzten Jahren durchweg gute Musiker dazugekommen, da steckt viel Potenzial drin.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der künftige Orchesterchef?
Gehmacher: Wir brauchen jemanden, der intensiv an der Klangqualität des Orchesters arbeitet. Und der eine emotionale Bindung zum Luxemburger Publikum schafft, damit es dieses "Our boys"-Gefühl gibt. Das hat man zu wenig kultiviert. Der neue Chef soll seinen Fokus in Luxemburg haben. Ich denke, wir können bis zum Sommer einen Namen präsentieren.
Emotionale Bindung, könnte das nicht auch heißen: stärkere Berücksichtigung von Luxemburger Komponisten?
Gehmacher: Das kann man machen. Aber da stellt sich schon mal die Frage: Wie viele gute Komponisten kann so eine kleine Region hervorbringen? Und die zweite Frage lautet: Wie motiviere ich das Publikum für neue Musik? Da habe ich, ehrlich gesagt, noch keine Antwort drauf.
Das laufende Programm trägt noch die Handschrift von Matthias Naske. Wie wird denn in ein paar Jahren die Handschrift von Stephan Gehmacher aussehen?
Gehmacher: Es geht um die Identität des Hauses, nicht um die Handschrift von irgendwem. Das Konzept muss schlüssig sein. Am Anfang kann man die großen Namen bieten, und das füllt das Haus. Aber irgendwann waren alle Stars da, und dann kommt es zunehmend auf die Inhalte und die Verknüpfungen zwischen Themen und Namen an, auch über Genregrenzen hinaus. Und auf diese Phase bewegen wir uns, bewege ich mich zu.
Bei unserem ersten Gespräch kurz nach Ihrer Wahl haben Sie spontan gesagt, man müsse auch außerhalb der Konzerte mehr Leben in die Philharmonie und den Platz rundherum bringen. Ist Ihnen da schon was eingefallen?
Gehmacher: Das Ziel der Belebung bleibt auf jeden Fall bestehen. Aber ich habe noch keine Lösung für die blühenden Landschaften, die ich derzeit der Öffentlichkeit präsentieren könnte.
DiL/mö

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