Ausstellung Hunger als Waffe: Trierer Studentinnen erinnern an den Holodomor in der Ukraine

Trier · Es ist wenig bekannt, dass Russland vor 90 Jahren schon einmal einen Krieg gegen die Ukraine führte, in dem die Bevölkerung ausgehungert werden sollte. Zwei Trierer Studentinnen setzen sich jetzt dafür ein, den als Völkermord anerkannten Krieg ins Bewusstsein zu rücken.

 Die ukrainischen Studentinnen Oksana Petruk (rechts) und Anhelina Leshak bei ihrer Gedenkaktion in Trier.

Die ukrainischen Studentinnen Oksana Petruk (rechts) und Anhelina Leshak bei ihrer Gedenkaktion in Trier.

Foto: aspectum.fotografie

Diese Einladung klingt ziemlich makaber: Ein Essen von Baumrinde, von Gras und Stroh. „Wir laden euch ein, das schlechteste Restaurant der Welt zu besuchen“, schreibt die Trierer Studentin Anhelina Leshak in ihrem Aufruf übers soziale Netzwerk Facebook. Die Gerichte des „Restaurants“ seien diejenigen Lebensmittel, mit denen sich die Ukrainer in den Jahren 1932 und 1933 ernährten, um der von der sowjetischen Regierung geschaffenen künstlichen Hungersnot zu entgehen. „Holodomor“ werden die Geschehnisse vor 90 Jahren genannt, die insgesamt mindestens rund vier Millionen Menschen das Leben kosteten. Damals wurden Bauern in den Dörfern enteignet und an der Flucht gehindert. Wer sich widersetzte, musste damit rechnen, getötet zu werden.

Der Aufruf zum Speisen von Rinde und Gras war im November die erste Aktion in Trier, mit der Ukrainerinnen ein Bewusstsein für die Vorgänge damals schaffen wollen. Denn es gebe Parallelen zum heutigen Krieg, sagt Oksana Petruk. Auch heute würden im Ukraine-Krieg Lebensmittel vernichtet und Zivilisten sowie Symbole der ukrainischen Identität angegriffen. Petruk lebt seit 2017 in Trier, studiert hier seit fünf Jahren Geschichte. Ihr sei bewusst, sagt sie, dass sich Geschichte nicht einfach wiederhole. „Aber sie reimt sich“, sagt Petruk über die Parallelen im Umgang Russlands mit der Ukraine damals und heute. Und darauf wolle sie aufmerksam machen, aus Verantwortung für ihre Heimat.

 Das Plakat zur Ausstellung in Trier.

Das Plakat zur Ausstellung in Trier.

Foto: Tuchfabrik

Viele Länder, darunter Deutschland und die Europäische Union, haben den Holodomor als Völkermord anerkannt. Trotzdem macht Oksana Petruk selbst unter angehenden HistorikerInnen die Erfahrung, dass das Thema kaum bekannt ist. Das liege daran, dass die Täter nie zur Verantwortung gezogen wurden und der seit 1991 unabhängige Staat lange gebraucht habe, um mit der Aufarbeitung der Traumata der Vergangenheit zu beginnen. „Es war lange Zeit verboten in der Sowjetunion, darüber zu sprechen“, erzählt die Studentin.

 Dieses Getreide wächst in der Region Donezk. Während der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft Anfang der 1930er Jahre mussten Ukrainer hungern, während ihre Ernte von der Sowjetunion konfisziert wurde.

Dieses Getreide wächst in der Region Donezk. Während der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft Anfang der 1930er Jahre mussten Ukrainer hungern, während ihre Ernte von der Sowjetunion konfisziert wurde.

Foto: dpa/Efrem Lukatsky

Nun haben Petruk und Leshak gemeinsam eine Ausstellung in der Trierer Tufa organisiert, die neben Plakaten des Nationalen Holodomor-Genozide Museums auch eine Sammlung von Collagen ukrainischer Künstlerinnen sowie die Installation „Das Mittagessen, zubereitet von Russland“ zeigt. Im Begleitprogramm liefert der Vortrag von Dr. Klaus Jürgen Becker, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs Ludwigshafen, zum Thema „Holodomor – Tötung durch Hunger” am Samstag historische Informationen. Becker weist gegenüber dem TV auf die enorm große Opferzahl hin: „Die Zahlen schwanken zwischen vier und zehn Millionen bei einer ukrainischen Bevölkerung von 26 Millionen.“

Für den Historiker ist klar: „Der Holodomor war tatsächlich die Absicht von Stalin, die nationale Identität der Ukrainer zu zerstören.“ Der Entzug der Nahrung reihe sich in eine Kette von Angriffen auf die nationale Identität der Ukrainer, etwa durch die Zerstörung von deren Kirche und deren Intelligenz. „Hunger gabs auch jenseits der Grenzen, aber in der Ukraine gab es Kontrollposten, damit die Menschen nicht in andere Regionen flüchten konnten.“ Das sei der wesentliche Unterschied. Und deshalb sei es Völkermord.

Dr. Klaus Jürgen Becker hält den Vortrag „Holodomor – Tötung durch Hunger” am Samstag, 25. Februar, 14 Uhr, in der Tufa. Der Eintritt ist frei, ebenso zur Ausstellung. Die Ausstellung und das Begleitprogramm werden im Rahmen der Trierer Partnerschaft für Demokratie gefördert, die Teil des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ des “Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ ist. Sie ist noch bis Sonntag zu sehen.

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