Hurensöhne und Kohlenhydrate

Trier · Enissa Amani begeistert knapp 700 Besucher mit Witzen über Nazis, Kulturen und Tussis.

 Nicht Jennifer Lopez, sondern Enissa Amani. TV-Foto: Christina Bents

Nicht Jennifer Lopez, sondern Enissa Amani. TV-Foto: Christina Bents

Foto: Christina Bents (chb) ("TV-Upload Bents"

Trier "Ich seh`' sie, ich seh`' sie, wie geil!", sagt eine der Besucherinnen kurz vor Beginn der Show ganz aufgeregt, als sie Enissa Amani hinter dem Vorhang der Bühne sieht. Einige Minuten später tritt sie auf die Bühne und wird mit großem Applaus und lautem Zurufen, fast wie ein Popstar, begrüßt.
Die Deutsch-Iranerin, die als Kleinkind den Iran verlassen hat und in Deutschland aufgewachsen ist, hat in der Comedy- und Kabarettszene eine Lücke entdeckt und nutzt sie klug. Sie sieht sehr gut aus, die Bildzeitung hat ihr eine Ähnlichkeit mit Jennifer Lopez bescheinigt, kann gut erzählen, ist schlagfertig, und durch ihre doppelte Staatsbürgerschaft kann sie Witze und Vergleiche über beide Kulturen machen.
Hat sie eben noch mit sanfter Stimme gelobt, wie "süß" doch Mädchen miteinander umgehen, kommt im nächsten Nebensatz, in deutlich tieferer Stimmlage: "Eh du Hurensohn, ich dachte, du bist tot", bei dem sie zwei junge Männer imitiert, die sich gerade treffen. Damit will sie klarmachen, wie verschieden der Umgangston zwischen den Geschlechtern ist.
Das Wort "Hurensohn" zieht sich durch das gesamte Programm, einmal um zu erklären, wie geschockt ihr Kabarettpublikum von ihrer derberen Seite ist, dann um zu zeigen, dass das kein Problem ist, wenn die Leute es zu sich selbst sagen, frei nach dem Motto: "Die Würde eines Hurensohns ist unantastbar", oder wenn sie sinniert, dass hochachtungsvoll im Deutschen das neue "Hurensohn" ist. Als Beispiel führt sie Behördenschreiben an, in denen steht, "bis zu diesem Zeitpunkt läuft Ihre Frist, "hochachtungsvoll". Sie sagt: "das kann man auch als eh du Hurensohn, erledige das mal bis dann" deuten.
Trotz der deftigen Wortwahl wurde es nicht vulgär, weil Enissa Amani immer wieder andere Themen ansprach, beispielsweise, wie sehr sie sich selbst als "Tussi" sieht, die wahnsinnig viel Wert darauf legt, als gutaussehend von anderen wahrgenommen zu werden.
Zu den Höhepunkten des Abends gehörten die Szenen, in denen sie Vergleiche zwischen dem Iran und Deutschland anstellte. Als sie beispielsweise von ihrem ersten Schultag erzählte, als sie mit einer weißen Schultüte aus Pappe in die Schule ging, auf die ihre Mutter kommunistische Sprüche geschrieben hatte, währen die deutschen Kinder mit Pferde- oder Feenmotiven auf ihren Tüten ihre Schullaufbahn starteten.
Sie berichtet zudem, dass ihre Mama und viele Menschen im Iran immer sagen "Das ist doch dasselbe", und dabei den iranischen Akzent nachahmt, mit langgezogenen Worten und veränderten Vokalen. Als Beispiel nennt sie schwarze Stiefel, die sie schön findet, und ihre Mutter sagt, "Habe ich dieselben gesehen, nur um die Hälfte billiger", und bringt ihr am nächsten Tag rote Turnschuhe mit. "Ist doch dasselbe, es sind Schuhe, und du kannst darin laufen", so die Erklärung ihrer Mutter.
Auch ihren Vater bedenkt sie im Programm, der die deutschen Sprichwörter liebt, sie aber miteinander kombiniert, und sagt "Alle Wege führen ins Glashaus".
Zwischendurch schlägt sie, die keiner Religionsgemeinschaft angehört, kritische Töne an, als sie beispielsweise klar formuliert, dass der Islam zunehmend in einem angstmachenden Kontext genannt wird und sie das bescheuert findet, weil nur ein kleiner Prozentsatz der Muslime tatsächlich eine Gefahr darstelle.
Damit es nicht zu ernst wird, bekennt sie in diesem Kontext, dass natürlich Kohlenhydrate am Abend ihr noch mehr Angst machen als ein Muslim, der im Flugzeug neben ihr sitzt und den Koran auspackt.
Ihrem von den Nationalitäten her sehr gemischten Publikum gefällt das Programm, es klatscht und macht mit, wenn sie die Besucher miteinbezieht, und in der Pause schicken sie ihr Komplimente aufs Handy und bringen ihr eine Brezel mit.

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