Ian Bostridge überzeugt in der Philharmonie
Luxemburg · Mit einem musikalischen Lehrstück über das Verhältnis der Menschen zueinander fesselten der Tenor Ian Bostridge und das Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) ihr Publikum. Der Rest des Programms war eher Beigabe.
Luxemburg. Er sieht noch immer aus wie ein Dozent einer englischen Eliteuniversität, trotz seiner Weltkarriere als Sänger. Genauso gut könnte der 47-jährige schmale Mann mit dem feinen Gesicht auch aus einem Stück von Oscar Wilde stammen. Ian Bostridge, der promovierte Historiker, der über einen Kirchenchor zum Gesang fand, gilt als Exzentriker und zudem als einer, der sich rar macht. Die Auswahl seiner Auftritte trifft er mit Bedacht.
Mit Benjamin Brittens Symphonischem Zyklus "Our hunting fathers" (Unsere jagenden Väter) beendete der Startenor seine Zeit als "Artist in Residence" bei der Luxemburger Philharmonie. Das unverdient selten aufgeführte Jugendwerk Brittens von 1936 für Orchester und eine hohe Singstimme nach Texten des englischen Dichters Wystan Hugh Auden ist nicht nur ein hoch eindrucksvolles Werk, was der Abend in Luxemburg einmal mehr bestätigte. Es ist auch zeitlos aktuell. Um Mensch und Tier geht es vordergründig. In Wahrheit verbirgt sich in der packenden, verstörenden Musik die bittere Botschaft, dass der Mensch ein Ungeheuer ist, gegen dessen Schrecken nicht einmal beten hilft.
Ian Bostridges Stimme formte die grauenvolle Erkenntnis packend und kontrastreich in Klang, in gellende Schreie, zitterndes Stammeln und tiefste Innigkeit. Stimmvirtuosen sind allerorts unterwegs. Bostridges Musik ist jedoch gelebte Musik, über den Klang mitgeteilte Erfahrung von Furcht, Trauer und Schmerz. Zu großer Form lief als symphonischer Partner das OPL mit seinem Dirigenten Emmanuel Krivine auf. Es musizierte präzise und vielfarbig, mit eindrucksvollen Instrumentenstimmen und Gespür für Charakter und Stimmung.
Ansonsten war Subtilität an diesem Abend nicht gerade die große Stärke des Orchesters. Wolfgang Amadeus Mozarts Symphonie Nr. 33 B-Dur geriet reichlich belanglos. Und auch Camille Saint-Saens berühmter Orgelsymphonie fehlte es in den ersten Sätzen an Klangsinnlichkeit, während das pompöse Finale vor allem durch Lautstärke beeindruckte. Auch die Orgel als Instrumentenpartner überzeugte weithin nicht. er