"Ich lebe in meinen Konzerten auf"

GROSSLITTGEN. (gkl) Für die Abschlussveranstaltung der Himmeroder Konzerte am Sonntag, 15 Uhr, hat sich Organisator Wolfgang Valerius etwas Besonderes aufgehoben: Zu Gast an der Klaisorgel ist mit Roman Krasnovsky der wahrscheinlich einzige israelische Konzertorganist, der es zu internationalen Ehren gebracht hat.

Der 1955 in der Ukraine geborene Organist und Komponist lebt seit 15 Jahren in Karmiel in Israel. Ausgebildet wurde er an der Kunstakademie in Charkow, und zum Orgelstudium ging er ans Konservatorium nach Novgorod. Regelmäßig ist er in Europa mit seinen Konzerten zu hören wie etwa im Kölner Dom, in der römischen Kirche Santa Maria degli Angeli oder in der Universitätskirche des Kings College im englischen Cambridge. Alles Adressen, wo längst nicht jeder Organist sich auf die Orgelbank setzen darf. Aber Krasnovsky führt noch ein anderes Leben. Die Orgelmusik gehört in Israel im Gegensatz zu Europa nicht zum allgemeinen Kulturgut. Große Orgeln gibt es nur sehr wenige. Deshalb muss der studierte Musiker auf anderen Wegen seinen Lebensunterhalt verdienen. Er arbeitet in Karmiel bei der Müllabfuhr. Jeden Morgen um fünf Uhr beginnt sein Arbeitstag. Wenn er Feierabend hat und nach Hause kommt, schläft er zunächst und setzt sich dann an den Schreibtisch, um zu komponieren. Konzerttourneen kann er nur dann unternehmen, wenn er Urlaub bekommt. Neben Werken von Johann Sebastian Bach (Präludium und Fuge in e-Moll, BWV 548) und Camille Saint-Saëns (Präludium und Fuge C-Dur, Opus 109, Nr. 3) werden in Himmerod zwei Werke aus der Feder des Organisten erklingen. Zunächst befasst er sich in seinem Opus 10 mit dem Choral "Meine Seele erhebt den Herren" und als Finale erklingt seine Orgelsinfonie Nr. 1, Opus 4, die er mit dem Titel "Jüdische" überschrieben hat. Darin geht er der Frage nach der unbestimmten, unbegreiflichen, nicht festlegbaren Stellung der Juden in der Welt nach. Verschiedene Fernsehsender und Zeitungen haben schon über Krasnovsky und seine für einen Künstler so ungewöhnliche Lebensumstände zwischen Mülleimern und Orgeltasten berichtet. Krasnowsky sagt: "In jedem Jahr lebe ich in meine Konzerten auf. Sie sind das Wichtigste in meinem Leben. In diesen Momenten weiß ich, wer ich bin."

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