"Ich möchte schlafen, aber du mußt tanzen”

Spätestens mit der Novelle "Immensee” ging Theodor Storm, der heute vor 125 Jahre starb, in die Literaturgeschichte ein. Doch er war auch ein Meister der Lyrik: Das hier zitierte Gedicht "Hyazinthen" ist ein Höhepunkt der Musikalität seiner Sprache - und zugleich ein Schlüssel zu Storms Persönlichkeit und Motiven.

"Fern hallt Musik; doch hier ist stille Nacht / mit Schlummerduft anhauchen mich die Pflanzen"
Die Ferne hat Theodor Storm nie gemocht. Geboren am 14. September 1817 in Husum im heutigen Kreis Nordfriesland, blieb der Schriftsteller das ganze Leben lang heimatverbunden. "Husumerei” nannte er scherzend seinen Provinzialismus. In die Ferne musste er aber doch, als Schleswig-Holstein von Dänemark annektiert wurde. Er zog nach Potsdam um, doch das literarische Leben von Berlin blieb ihm fremd. Die stille Nacht der Provinz war sein ewiger Ort. "Doch hängt mein ganzes Herz an dir, du graue Stadt am Meer.”

"Ich habe immer, immer dein gedacht / ich möchte schlafen, aber du mußt tanzen."
Was in der Heimat für immer bleibt, ist auch die Liebe. Storm glaubte nicht an die Unsterblichkeit der Seele, sondern an die der Liebe. Eine Liebe von der Kindheit bis zum Tod. Nicht zufällig heiratete Storm nach dem Tod seiner ersten Frau die Husumerin Doris Jensen, die ihn liebte, seitdem sie zehn war. In der Liebe wollte der Dichter ruhen.

"Es hört nicht auf, es rast ohn Unterlaß / Die Kerzen brennen und die Geigen schreien / es teilen und es schließen sich die Reihen / und alle glühen; aber du bist blaß."
Was für Storm nie aufhörte, war der Gedanke an den Tod. Sein ganzes Leben lang folterte ihn das Gefühl der Vergänglichkeit. Und genau das charakterisiert sein Werk, das immer nostalgisch an die Jugend erinnert.

"Und du mußt tanzen; fremde Arme schmiegen / sich an dein Herz; o leide nicht Gewalt! / Ich seh\' dein weißes Kleid vorüberfliegen / und deine leichte, zärtliche Gestalt."
Fremde Arme an der Geliebten, Eifersucht und unerfüllte Liebe: In einer seiner berühmtesten Novellen, "Immensee”, geht es um eine unmögliche Liebe. Reinhard und Elisabeth lieben sich seit der Kindheit, doch die Liebe wird durch gesellschaftliche Zwänge zerstört.

"Und süßer strömend quillt der Duft der Nacht / und träumerischer aus dem Kelch der Pflanzen"
Storm war ein Träumer. Wenn seine Lyrik auch aus dem ganz realen Leben hervorgeht, gibt es doch immer einen träumerischen Unterton. Seine Protagonisten sind oft ältere Männer, die in Erinnerungen schwelgen. Und wenn der Traum zum Alptraum wird, dann schreibt Storm Spukgeschichten. Sogar seine bekannteste Novelle, "Der Schimmelreiter”, lebt von der gespenstischen Aura des Protagonisten.

"Ich habe immer, immer dein gedacht / ich möchte schlafen, aber du mußt tanzen."
An Krebs erkrankt, starb Storm am 4. Juli 1888. Doch seine Worte tanzen bis heute.Extra

Mit "Immensee" wurde Theodor Storm 1849 berühmt. Mit keinem anderen Werk hatte er zu Lebzeiten so viel Erfolg gehabt. Heute ist er vor allem für seine letzte Novelle bekannt: "Der Schimmelreiter" aus dem Jahr 1888. Weitere Novellen, mit seinen typischen Motiven sind "Späte Rosen", "Viola Tricolor" und "Martha und ihre Uhr". Nicht zu vergessen sind seine Kinder- und Spukgeschichten und die Gedichte. Diese sind oft auch in Novellen eng in der Handlung eingeflochten. bc

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