„Ich unterscheide zwischen Horst und Horn“

Trier · Pädagoge, Schlager-Barde, Theater-Schauspieler und Talkmaster: Im Leben von Guildo Horn alias Horst Köhler gibt es viele Rollen. Wie er mit diesen Facetten umgeht, beschreibt der 45-Jährige in seinem ersten Buch „DoppelIch – Die andere Seite des Horst Köhler“, das heute erscheint.

(BP) 1998 vertrat er Deutschland beim Grand Prix, und alle hatten Guildo lieb’. Welches Leben der in Trier als Horst Köhler geborene Musiker vorher lebte, wissen nur die wenigsten. Er war Musik-Therapeut bei den Lebenshilfe-Werkstätten in Trier und Serrig und seit zwei Jahren moderiert er „Guildo und seine Gäste“ – eine Talkshow mit geistig Behinderten. Diese Arbeit mit Behinderten ist Thema seines Buches, über das er mit TV-Redakteur Björn Pazen sprach. Eine Autobiografie. die die zwei Gesichter eines Menschen skizziert.

Guildo Horn oder Horst Köhler? Wer sind Sie gerade?
Horn: Ich hab ehrlich gesagt heute noch gar nicht nachgeguckt, aber wenn man als Doppel-Ich durch die Gegend läuft, liegt die Frage natürlich auf der Hand.

Wird man angesichts dieser zwei Rollen nicht schizophren?
Horn: Ich bin ein ziemlich bodenständiger Mensch und unterscheide ganz klar zwischen mir als Horn und dem Horst als Privatmenschen. Die Frage ist auch weniger, wie gehe ich damit um, als vielmehr, wie betrachten mich die Anderen. Ich vergesse den Promi oftmals und bin dann völlig schockiert, wenn ich zum Beispiel ein Restaurant betrete und mal wieder ne Extrawurst gebraten bekomme. Das ist mir dann peinlich.

Wenn man Ihr Buch liest, scheint es, als hätte Ihnen die Rolle „Horn“ nicht sehr gelegen?
Horn: Nein, so ist es nicht. Der „Guildo Horn“ ist aus reinem Spaß und der Liebe zur Schlagermusik entstanden. Geplant war ein herzlicher Pseudo-anti-Schlagerstar nach dem atomaren Erstschlag. Wie beim Zauberlehrling hat sich die Karte dann gedreht und aus Spaß und Spiel wurde Wirklichkeit. Ein äußert seltsames Gefühl. Warum auch immer war mir von Beginn an klar, dass der Horn einen gewissen Erfolg haben würde. Wir groß, das habe ich völlig unterschätzt. Ich war schon immer ein eher ernster Mensch und die Frage stand dann im Raum, krieg ich das überhaupt auf die Reihe, immer lustig und vergnügt? Aber es ist zu einem Teil von mir geworden, den ich bis zum heutigen Tage liebe und genieße.

Ihr Buch verdeutlicht, dass Ihnen die Arbeit mit Behinderten mehr gibt, als Ihnen die Musik gegeben hat. Trifft das so zu?
Horn: Das kann man so nicht sagen. Aber die Arbeit mit geistig Behinderten hat mein Leben auch in musikalischer Hinsicht sehr bereichert. Ohne meine Arbeit in der Lebenshilfe hätte es Guildo Horn in dieser Form wohl nie gegeben.

Was ist für Sie normal?
Horn: Ein „Normal“ gibt es nicht. Aber meiner Vorstellung von einem anzustrebenden „Normal“ kommen viele als geistig behindert eingeordnete Menschen wohl am nächsten, weil sie einfach so sind wie sie sind. Ohne wenn und aber, ohne den Zwang, ständig gefallen zu müssen. Authentisch eben.

Was macht daneben die Arbeit mit geistig Behinderten aus?
Horn: Es ist deren Offenheit und Freundlichkeit, ihre unverstellte Art. Man weiß bei ihnen immer, wo man dran ist. Ich habe von Behinderten viel gelernt wie unverkrampftes Musizieren miteinander. Der Spaß steht im Vordergrund. Es kommt einfach nicht darauf an, ob man die Bionischen Formeln kennt oder den „Spiegel“ liest.

Wie oft treten Sie noch als Guildo Horn mit Ihrer Band auf?
Horn: Wir spielen 40 bis 50 Konzerte pro Jahr. Dazu kommt meine SWR-Talkshow „Guildo und seine Gäste“. Gerade haben wir wieder vier neue Folgen aufgezeichnet, die ab dem 23. September ausgestrahlt werden. Ich liebe es auch auf der Theaterbühne zu stehen und freue mich Ende November mit meiner Kammeroper „Leporellos Tagebücher“ im Trierer Theater zu Gast zu sein.

Sind Sie noch häufiger in der Lebenshilfe Trier oder Serrig?
Horn: Wir haben zwei Folgen „Guildo und seine Gäste- – Hausbesuch“ auf dem Hofgut Serrig gedreht. Meine Mutter arbeitet immer noch für die Lebenshilfe Werkstätte in Euren. Der Kontakt ist also nie abgerissen.

Im Buch beschreiben Sie, was Trier Ihnen bedeutet – warum leben Sie nicht an der Mosel?
Horn: Grundsätzlich könnte ich mir das sehr gut vorstellen. In Trier bin ich super-glücklich und habe echte Heimatgefühle, vor allem im Herbst, wenn ich an goldene Blätter und süßen Viez denke. Ich habe Trier 1997 aus familiären Gründen verlassen. Nach der Trennung damals ist meine Frau mit unserem Sohn nach Köln gezogen, ich hinterher.

Ist man mit 45 Jahren nicht zu jung für eine Autobiographie?
Horn: Ich hatte das nie vor, aber nach einem Interview in der Chrismon hat das Gütersloher Verlagshaus bei mir angefragt, ob ich willens und in der Lage sei ein Buch über meine Arbeit mit geistig Behinderten zu schreiben. Herausgekommen ist nun dieser autobiographische Roman, in dem ein Mann durchs leben stolpert – und dieser Mann bin ich.

Ihre musikalische Karriere als Guildo Horn kommt im Gegensatz zu Ihrer Arbeit mit Behinderten im Buch eher wie im Schnelldurchlauf daher?
Horn: Wie gesagt, der Schwerpunkt von DoppelIch liegt auf meiner Arbeit mit behinderten Menschen, aber natürlich dürfen ein paar Anekdoten aus meiner beschleunigten Künstlerkarriere nicht fehlen.


Sie sind bekennender Fan von Eintracht Trier. Wird Mario Basler die Eintracht in die dritte Liga führen?
Horn: Als ich gelesen habe, dass Mario Basler Eintracht-Trainer wird, bin ich fast umgekippt. Ich finde das genial, es musste was passieren bei der Eintracht. Ich drücke Mario und dem Team die Daumen und fiebere aus der Ferne mit.

Könnten Sie sich ein Duett mit Basler im Stadion vorstellen?
Horn: Grundsätzlich bin ich zu allen Schandtaten bereit.

Zur Person

Horst Köhler

Horst Köhler wurde 1963 in Trier geboren, ab Mitte der 90er-Jahre firmierte er als „Guildo Horn“ und gründete die Band „Die orthopädischen Strümpfe“. Seine Mission war, den deutschen Schlager zu retten und zu reanimieren, was ihm unter anderem - neben der Wiedergeburt der Nussecke - mit Platz acht beim Grand Prix d’Eurovision 1998 in Birmingham gelang und was ihm für sein Album „Danke“ goldene Schallplatten einbrachte. Zuvor absolvierte Horst Köhler zunächst ein soziales Jahr bei der Lebenshilfe Trier, wo er später als Musik- und Theatertherapeut arbeitete und auch seine Diplomarbeit zum Abschluss seines Pädagogikstudiums verfasste. Gemeinsam mit Frank Elstner startete er 2006 die Talkshow „Guildo und seine Gäste“, ein mehrfach preisgekröntes Format, in dem Horn geistig Behinderte interviewt. Die vierte Staffel wird im Oktober im SWR gesendet. Horn hat aus erster Ehe einen Sohn und lebt heute auf einem Bauernhof im Bergischen Land. (BP)

Buchkritik

DoppelIch – Die andere Seite des Horst Köhler

Was machen nach dem Abitur? Diese Frage stellt sich auch Horst Köhler aus Trier-Nord, Nähe Moselstadion. Seine Mutter, die für die Lebenshilfe-Werkstätten den Behindertenbus fährt, setzt den jungen Horst auf den Weg – fortan arbeitet Köhler in der Behindertenwerkstatt, was sein ganzes Leben prägen soll. „DoppelIch - die andere Seite des Horst Köhler“ beschreibt sehr authentisch das Leben (vor allem die aufmüpfige Jugend) des künftigen Guildo Horn. Man merkt dem Buch an, dass kein Ghostwriter am Werk war, sondern Herr Horn/Köhler selbst den Griffel schwang. Nach einem etwas langen Einstieg in die Thematik Jugend/geistig Behinderte/Zivildienst nimmt das Buch Fahrt auf. Immer im Fokus: Wie wichtig die Arbeit mit geistig Behinderten ist – und wie problematisch es für Horst/Guildo ist, sich später teilen zu müssen, als seine Karriere als Musiker immer mehr Zeit in Anspruch nimmt. Der Kernsatz: „Es ist wirklich ein sehr seltsames Ding, wenn du auf einmal zwei Menschen bist. Der Horn und der Horst. Beide verlangten nach Zeit und Platz.“ Angesichts der vielen Negativ-Erfahrungen im Musikbusiness besinnt sich Horst/Guildo dann wieder seiner Wurzeln. Das Buch ist vor allem für Trierer interessant, der Lokalkolorit kommt vor allem in den ersten Kapiteln nicht zu kurz. Wer bisher dachte, Horst Köhler sei „nur“ Guildo Horn, der wird eines besseren belehrt. (BP)

„Doppel-Ich – Die andere Seite des Horst Köhler“, Gütersloher Verlagshaus, 190 Seiten, 17,95 Euro.

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