"Ich will das Leben zeigen wie es ist"

Ein gut gehängte Ausstellung sehr eindrucksvoller Schwarz-weiß-Fotografien aus Südafrika zeigt derzeit das Georg-Meistermann-Museum in Wittlich. Einige davon stehen im Rang von Ikonen. Zu Gast im "Alten Rathaus" ist Jürgen Schadeberg, der "Vater der südafrikanischen Fotografie". Nach Luxemburg - vor zwei Jahren - ist jetzt eine Werkgruppe seiner Arbeiten in der Region zu sehen.

 Jürgen Schadeberg vor seiner Arbeit "Nelson Mandela in his cell in Robben Island". TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Jürgen Schadeberg vor seiner Arbeit "Nelson Mandela in his cell in Robben Island". TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Wittlich. "Fotograf" antwortet er schlicht auf die Frage, was er denn sei, Fotojournalist oder sogar Fotokünstler? Jürgen Schadeberg macht kein Aufhebens von sich. "Unsinn", hat er einmal einer Verehrerin widersprochen, die von seiner Berühmtheit schwärmte: "Ich mache nur meine Arbeit". Mehr als 100 000 Negative sind die Ausbeute dieser Arbeit. Der Mann mit dem wachen Blick unterm kurz geschnittenen weißen Haar kann sich Bescheidenheit leisten. Seine Südafrika-Fotos haben den 1931 geborenen Berliner weltberühmt gemacht. Gleichwohl war es in den letzten Jahren merkwürdig still um den "Vater der südafrikanischen Fotografie", der mit seinen Bildern lange Zeit die Seiten großer Blätter füllte - darunter Time Life, Observer, Stern oder "Die Zeit". Nicht zuletzt war er Cheffotograf der legendären "Drum", einer Art Lifestyle-Magazin für schwarze Südafrikaner, das zunehmend sozialkritische Beiträge lieferte und damit gesellschaftliche Bedeutung bekam. Derzeit erlebt der inzwischen in Frankreich beheimatete Weltenbürger, der auch Buchautor und Filmemacher ist, allerorts ein Comeback.

Nach ein paar Jahren bei einer Nachrichten-Agentur war der 19-jährige Fotograf 1950 seiner Mutter nach Johannesburg gefolgt. "Lieber wäre ich nach New York gegangen", erinnert er sich, "da war mehr los". Schnell machte er Karriere beim neuen Format Drum, das seine Redaktion im Stadtteil Sophiatown hatte, jenem Biotop von schwarzen Musikern, Intellektuellen, Freiheitskämpfern und Gangstern, das von der weißen Regierung 1956 im Wortsinn platt gemacht wurde. Anders als seine weißen Landsleute, die in ihren selbst errichteten komfortablen Ghettos erstarrten, wechselte der junge Deutsche unbekümmert die Farbfronten.

"Mich faszinierte das Leben dort, die Vitalität, die Lebensfreude", erinnert sich Schadeberg. Die Jazzer, die Kneipen und Kabaretts von Sophiatown, das Alltagsleben und schließlich die Vertreibung der schwarzen Bevölkerung stehen im Zentrum der Wittlicher Fotoauswahl. "Ich wollte das Leben zeigen, wie es wirklich ist", sagt der Fotograf. In der brodelnden Vorstadt lernte Schadeberg auch den jungen Anwalt Nelson Mandela kennen, den er über Jahre begleitete. Sein Foto des Präsidenten Mandela (in der Wittlicher Schau), der 1994 seine ehemalige Gefängniszelle auf Robben Island besucht, hat nicht nur als Ikone die Welt bewegt und Geschichte festgeschrieben. Es erklärt auch in einem einzigen Bild, was den Staatsmann und Nobelpreisträger bald 30 Jahre Gewalt, Demütigung und Bedrohung als Gefangener durchstehen ließ. Ein Mann von aristokratischem Wesen, unnahbar, stolz, die Lippen fest verschlossen, blickt durch die Gitterstäbe. Nur die tiefe Falte im Mundwinkel verrät Leid und schlimme Erfahrung.

Was den eigentlichen Reiz der Arbeit von Schadeberg ausmacht, ist sein unbestechlicher Blick für Menschen, der fasziniert. Wie Schadeberg augenzwinkernd und dennoch eindringlich Apartheid ins Bild setzt, zeigt sein Bild "Measuring up", die Vorbereitung eines Cover-Fotos. Alles ist wie bei jedem Magazin. Nur die Zahnlücke im Lächeln des schwarzen Models macht den Unterschied zur weißen Kollegin. 1964, als Drum verboten wird, verlässt auch Schadeberg Südafrika.

Bis 1. Februar 2009, Di -Fr 10-12 Uhr u.14-17 Uhr, Sa 11-17 Uhr, So, Feiertage 14-17 Uhr, Telefon 06571-146616, www.wittlich.de.

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