"Ich wollte meinen Traum verwirklichen"

Trier/Ludwigshafen · Einer der profiliertesten Dirigenten Deutschlands stammt aus Trier. Karl-Heinz Steffens, Opernchef und Generalmusikdirektor in Halle, Chef der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und hoch gehandelt bei den Experten, ist auf dem Sprung in die erste Garnitur der Taktstock-Virtuosen.

 Gilt als sensibler Motivationskünstler: Dirigent Karl-Heinz Steffens.Foto: Gert Kiermeyer

Gilt als sensibler Motivationskünstler: Dirigent Karl-Heinz Steffens.Foto: Gert Kiermeyer

Trier/Ludwigshafen. Vielleicht war es das Diktum des großen Daniel Barenboim, das Karl-Heinz Steffens manche Tür geöffnet hat: Er kenne derzeit "keinen besseren jungen Dirigenten", befand der Maestro. Das mit dem "jung" ist freilich relativ. Steffens wurde 1961 in Trier geboren, wuchs als Sohn eines Postbeamten in Wittlich auf, wo er auch Abi machte. Will heißen: Er hat die 50 schon überschritten. Dass man ihn zu den Dirigenten der jungen Generation rechnet, liegt nicht nur daran, dass das Durchschnittsalter der großen Orchesterchefs weit über dem der ZDF-Zuschauer liegt. Es hat auch damit zu tun, dass Steffens erst seit 2007 "hauptamtlich" dirigiert.
Der Umstieg war nicht ohne. Immerhin hatte der Musiker eine Bilderbuchkarriere als Klarinettist hingelegt, sich bis ans erste Pult der Berliner Philharmoniker vorgespielt, dem höchsten Olymp für einen Instrumentalisten in diesen Landen. Er hatte Solokonzerte mit Dirigenten von Maazel bis Masur gespielt, etliche CDs aufgenommen.
Der Drang, den Takt anzugeben


Doch da war der unwiderstehliche Wunsch, den Takt anzugeben. "Hobbymäßig zu dirigieren hat mir nicht gereicht", sagt er rückblickend. Bei Barenboim ("ich bin ihm unendlich dankbar für sein Vertrauen") fand er Rat und Ermunterung, seine gelegentlichen Gastdirigate bei anderen Orchestern wurden zu Triumphen, und so wagte er 2007 den großen Sprung: Ausstieg bei den Philharmonikern, Aufgabe der Professur an der Berliner Musikhochschule, Abschied vom großen Scheinwerferlicht. Stattdessen ab in die "Provinz", nach Halle, wo man ihn zunächst als Generalmusikdirektor und dann zusätzlich als Opernchef verpflichtete: "Ich wollte meinen Traum und meine eigenen Ideen verwirklichen."
Abgefedert wurde das waghalsige Manöver durch Gastspiele bei bekannten Orchestern. Die Bamberger Symphoniker und das Leipziger Gewandhausorchester luden ihn ein, eine "Fidelio"-Serie an der Berliner Staatsoper brachte ihm eine Art Durchbruch. Aber Steffens schaffte es auch, mit musikalisch exzellenten Opernproduktionen den Fokus auf Halle zu lenken.
Der frische Ruhm strahlte in seine alte Heimat ab: Rheinland-Pfalz bot ihm die Leitung der Deutschen Staatsphilharmonie mit Sitz in Ludwigshafen an. Das war 2009, und Workaholic Steffens nahm den Job in der Pfalz noch zusätzlich an. Zwei Dirigenten-Chefsessel, große Gastdirigate, dazu gelegentliche Konzerte als Klarinettist: Das sei, sagt Steffens, "wahnsinnig schwer unter einen Hut zu bringen". Manchmal komme er sich vor "wie ein Handelsvertreter, der immer durchs Land pendelt".
Umso erstaunlicher, welch hohe künstlerische Qualität er beständig produziert. Manchmal auch im Doppelpack, wie beim zwischen Halle und Ludwigshafen koproduzierten Nibelungen-Ring, der bundesweite Aufmerksamkeit fand.
Nächstes Jahr ist in Halle Schluss


Doch Steffens bleibt konsequent: Für das kommende Jahr hat er seinen Abschied in Halle angekündigt, und sogar die ursprünglich geplanten Ausflüge in die Rolle des Klarinetten-Instrumentalisten sind gestrichen. Das sei "wie bei einem Fußballspieler: man muss immer im Training sein, sonst klappt es nicht".
Die eingesparten Trainingszeiten und die Freiräume durch den Ausstieg in Halle kann er nun in die Pflege seiner Gastspiele stecken, der Job in Rheinland-Pfalz ist ihm ohnehin sicher - das Land verkündete kürzlich stolz, ihn bis 2018 an die Staatsphilharmonie gebunden zu haben. Auch sonst ist er ein begehrter Mann - längst nicht mehr wegen der Barenboim-Protektion, deren Kehrseiten er inzwischen auch kennt: "Für manche war das ein tolles Signal, für andere ein gefundenes Fressen, um draufzuhauen."
Vielleicht klappt es ja, bei aller Konzentration der Kräfte, die frühere Tradition gelegentlicher Konzerte mit seinen alten Freunden vom Musikverein Lüxem, wo er einst groß wurde, wieder aufzunehmen. Seit dem letzten Mal, schmunzelt Steffens, habe ihn keiner mehr gefragt. "Vielleicht", so seine Vermutung, "trauen die sich einfach nicht".

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