Idylle, Sehnsucht, Katastrophe

LUXEMBURG. Romantik par excellence. Mit Schumanns Klavierkonzert lieferten Alexander Lonquich und das Orchestre Philharmonique du Luxembourg ein Glanzstück, und die Wiedergabe von Mahlers Fünfter stand dem nicht nach.

Es ist ja heikel: Nach den auffahrenden Einleitungsakkorden des Klaviers müssen die Holzbläser in Schumanns a-Moll-Klavierkonzert das Thema vortragen. Das ist erkennbar fürs Klavier erfunden. Aber die Bläser des Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) glänzen im Luxemburger Konservatorium mit Klangkultur und überspielen doch das Stockende dieser Passage nicht. Zögernde Schritte. Und danach öffnet sich die Welt von Schumanns Poesie. Der Pianist Alexander Lonquich lässt Melodien singen, leuchtet den differenzierten Klaviersatz aus, hat einen großen Atem für die "erzählenden" Partien, spannt den Ausdrucksbogen weit - zwischen Hochstimmung, Sehnsucht und stiller Versonnenheit. Der Pianist und das OPL unter Bramwell Tovey harmonieren perfekt. Beschleunigungen und retardierende Partien vollziehen sie gemeinsam - ein geschlossener, sinfonisch-solistischer Klangkörper. Auch mit Mahlers fünfter Sinfonie boten die Luxemburger und ihr britischer Dirigent ein orchestrales und interpretatives Glanzstück. Die Bläser, allen voran Hörner und Trompeten, bewältigen Mahlers Riesenaufgaben makellos, die Streicher glänzen mit Beweglichkeit und Kultur. Das OPL hat sich in den letzten Jahren beträchtlich verjüngt und die Betulichkeit des alten RTL-Orchesters abgelegt. Bramwell Toveys Mahler ist nicht reserviert und hintergründig. Diese Musik, glüht, brennt, leuchtet. Der einleitende Trauermarsch kommt nicht fatalistisch düster daher, sondern expressionistisch geschärft, mehr Aufbegehren als dumpfe Trauer. Das heftig auftrumpfende Scherzo klingt wie die Vorahnung einer großen Katastrophe - wie Mahler überhaupt aus dem schönen Schein der klassisch-romantischen Sinfonik ausbricht und etwas vom großen Krieg ankündigt. Das "Adagietto" hat die weit ausholende Kraft und Tiefe einer echten, unparfümierten Idylle, und im Finale signalisieren Hörner und Trompeten Erleichterung, ja Befreiung. Toveys Interpretation hat viele Gesichter. So differenziert konnte man diese Sinfonie in Luxemburg wahrscheinlich noch nie hören. Das Publikum im vollbesetzten Konservatorium jubelte.

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