Idyllische Passagen

Trier. Ein weltberühmtes Streichquartett, ein überragender Cellist und zwei überaus bedeutende Kompositionen bildeten die Grundlage dafür, dass der Kammermusikabend im Trierer Kurfürstlichen Palais ein besonderes Ereignis wurde.

Die Kammermusikalische Vereinigung Trier schwingt sich von einem Höhenflug zum nächsten. Bei der jüngsten Veranstaltung war es das Amati-Quartett Zürich, mit dem der Verein sein Publikum verwöhnen wollte. Schon zum zweiten Mal war dieses berühmte Ensemble damit an der Mosel. Das Programm der Formation indes verlangte nach einem zusätzlichen Cello, weshalb man mit David Geringas einen der bedeutendsten Cellisten, den die Klassikwelt heute kennt, mitgebracht hatte. Diese Konstellation konnte nur eines bedeuten: einen Konzertabend, der es in sich hatte und den man so schnell nicht vergessen wird. Der Kritiker Joachim Kaiser hat einmal gesagt: "Vor dem C-Dur-Quartett verneigen sich alle Menschen, denen Musik etwas bedeutet, glücklich bewundernd - oder sie schwärmen." Gemeint hat er damit das Quintett Opus 163, D 956, von Franz Schubert. Man muss Kaiser Recht geben, zumindest, wenn man dieses große Werk in der Interpretation dieser fünf Musiker hört. Selten erlebt man eine solche Intensität, wie sie im Palais geboten wurde. Weite Bögen spannten Primus Willi Zimmermann, Anahit Kurtikian an der zweiten Violine. Bratschist Nicolas Corti und Geringas Partner Claudius Herrmann, gestalteten idyllische Passagen, zerstörten sie aufbrausend und mitreißend. Sie ließen all die Empfindungen aufkommen, die den Komponisten zwei Monate vor seinem Tod bewegt haben mögen. Großartig, einzigartig. Trotz dieser glänzenden Leistung konnte man aber am Ende des Konzertes nicht sicher sein, ob das Schubert'sche Werk wirklich das Wertvollste des Abends war. An den Anfang nämlich hatten die Musiker das fis-Moll Quartett von Walter Braunfels gesetzt. Der 1954 verstorbene Komponist war der Begründer der Musikhochschule Köln und in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts einer der bedeutendsten Opernkomponisten in Deutschland. 1933 wurde er mit einem Berufsverbot belegt und zog sich in die innere Emigration zurück. Eine Frucht dieser Zeit ist sein Opus 63, das in ebenso meisterlicher Interpretation wie Schuberts Quintett im Palais erklang. Für die Nachgeborenen, die das kürzeste tausendjährige Reich der Geschichte nicht miterlebt haben, muss es unbegreiflich bleiben, dass solch eine Musik in Deutschland einmal verboten war. Andächtig konnte man dem verstärkten Amati Quartett nur lauschen, wie es die Gedanken dieses Komponisten, die er 1945 in Noten fasste, wieder belebten. Wäre nicht die hohe Kunstfertigkeit der Musiker gewesen, alleine schon die Tatsache, dass sie diesem Werk Raum gaben, machte den Abend zu einem Erlebnis. Den Dank erhielten sie nicht nur von einem begeisterten Publikum, sondern auch vom Enkel des Komponisten, Stephan Braunfels, der aus München angereist war.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort