Im Eilschritt zum Erfolg

TRIER/BERLIN. Wenn im Berliner Hansa-Theater das Musical "Harry und Sally" bei seiner deutschen Erstaufführung unablässig auf den Höhepunkt zusteuert, dann spielt die Musik auch ein bisschen in Trier: Der Trierer Dirigent Joachim Mayer-Ullmann ist musikalischer Leiter der Erfolgsproduktion.

Echt oder vorgetäuscht? Die legendäre "Orgasmus-Szene" aus "Harry und Sally" in der Berliner Musical-Version mit den Hauptdarstellern Katja Berg und Werner Bauer. Foto: Klaus Kimmling/dpaDer Mann hat keine Zeit: Joachim Mayer-Ullmann kommt die Treppen zum Redaktionsgespräch im Verlagshaus regelrecht hoch gesprungen. 30 Minuten später geht es im Laufschritt wieder zurück. Wer den Terminplan des 51-Jährigen kennt, wundert sich nicht über die Eile. Sechs Abende in der Woche steht im traditionsreichen Berliner Hansa-Theater das Musical "Harry und Sally" auf dem Programm, und sechs Mal schwingt der ehemalige Kapellmeister des Trierer Theaters den Taktstock. Parallel probt er als musikalischer Leiter des Hauses schon das nächste Stück. Und "nebenher" ist der examinierte Konzertpianist ständiger Dirigent des Orchesters Oberhausen. Zum Jahreswechsel dirigierte er am Silvesterabend in Berlin, sprang in den Nachtzug, gab in Oberhausen am späten Vormittag ein Neujahrskonzert vor 1200 Zuhörern, hüpfte in den Flieger und war abends pünktlich zur Vorstellung wieder an der Spree. Ganz schön anstrengend, räumt Mayer-Ullmann ein, "aber wenn die Resonanz so ist wie zurzeit in Berlin, dann macht das richtig Spaß". Nicht nur das Publikum im Hansa-Theater ist von der Musical-Adaption des legendären Meg-Ryan-Films richtig begeistert. Von "heißblütigen Reaktionen" schreibt die Berliner Morgenpost, "bravourös" attestiert das Berliner Kulturradio, "spritzige Rythmen" lobt der Stern. Über Presse-Bewertungen wie "formidable Kapelle" freut sich der musikalische Leiter besonders. Der Erfolg ist um so erstaunlicher, als "Harry und Sally" keine konfektionierte Musical-Produktion von der Broadway-Stange ist. Mayer-Ullmann und Regisseur Christian Schnell haben das Stück von Joan Vives in Spanien entdeckt. Der Bandmitschnitt von der Uraufführung in Santander begeisterte das Künstler-Duo, das lange Jahre beim Landestheater Dinslaken zusammengearbeitet hat. Da traf es sich gut, dass Schnell gerade dabei war, aus der nordrhein-westfälischen Provinz nach Berlin zu wechseln, wo er mit dem privaten Hansa-Theater eine vom Aussterben bedrohte Moabiter Institution übernahm. Das einstige Volkstheater krebste nach diversen Besitzerwechseln und der Streichung öffentlicher Subventionen am Rand der Pleite herum. Seit Herbst weht ein frischer Wind. Sissi Perlinger und Lilo Wanders waren mit Solo-Programmen da, seit Dezember füllen Harry und Sally die Kassen, zurzeit arbeiten Schnell und Mayer-Ullmann an der deutschen Erstaufführung des Off-Broadway-Musicals "I love you, you're perfect, now change". Joachim Mayer-Ullmann hofft, mit dem "Kammer-Musical-Format" eine Berliner Marktlücke gefunden zu haben. Auch wenn er dann noch seltener daheim in Trier bei den Kindern und seiner Ehefrau, der Sängerin und Schauspielerin Barbara Ullmann sein kann. Wenn es sich ergibt, arbeitet er immer noch gerne in der Trierer Musikszene, zum Beispiel für den Konzert-Chor. Von der Klassik hat er sich keineswegs verabschiedet. Zum Trierer Theater, dem er von 1980 bis 1991 fest angehörte, gibt es lose Kontakte. "Natürlich wäre es toll, wenn sich da mal wieder was ergäbe", sagt er. Wenn er denn Zeit hat. Harry und Sally noch bis 25. Januar. Hotline: 030/39837474.

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