Im Schatten Beethovens

Luxemburg · Die Größen der Musikgeschichte sind auch Platzhirsche in den Konzertprogrammen. Da gerät Kleineres und Schwächeres leicht ins Abseits. So wie Etienne-Nicolas Méhuls 1. Sinfonie im Luxemburger Konzert der Solistes Europeéns unter Christoph König.

Luxemburg. Es ist, als habe sich das künstlerische Schwergewicht von Rudolf Buchbinder auf die Statur übertragen. Bis in die Körpersprache hinein strahlt der Wiener Pianist Gewicht und Kompetenz aus. Mit Beethovens 5. Klavierkonzert begibt er sich nicht auf die virtuosen Höhenflüge mancher Jungstars vornehmlich aus Fernost, und auch die sperrige Individualität oder die philosophische Tiefe der Wiener Kollegen Gulda und Brendel sind seine Sache nicht. Buchbinder spielt einfach die Musik - in vollgriffigen Passagen gelegentlich allzu angespannt und auftrumpfend, aber doch hochsensibel für den Reichtum dieses Werks, für dessen enorme Spannweite zwischen der Heroik des Anfangs und dem Schattenhaften, halb Bewussten im Mittelsatz - "dämmernd" schreibt Beethoven in die Partitur.
Neue Impulse für das Orchester


Und dazu die Solistes Européens: Die künstlerische Allianz zwischen Buchbinder und Dirigent Christoph König steht. Da bleibt alles klar, fest, konturenstark und deutlich. Übergänge geraten präzise, und wenn der Pianist vorsichtig das Tempo modifiziert, dann sind König und die Solistes dabei. Christoph König, seit Saisonbeginn 2010/2011 Chefdirigent, hat dem Orchester entscheidende neue Impulse gegeben. Die Bläser klingen flexibler und präsenter als ehedem und die Streicher kultivierter und homogener. Gerade wenn sie Johann Strauß spielen, brillieren sie. Die Wechsel zwischen den Orchestergruppen gelingen nahtlos, sogar Becken und große Trommel sind akustisch perfekt integriert. Und sie fallen nicht auf das Klischee Wiener Gemütlichkeit herein, sondern musizieren straff und doch mit leichter Hand. Ein Ideal.
Beethovens Schatten indes reicht weit, und das bedeutete für die 1. Sinfonie von Etienne-Nicolas Méhul nichts Gutes. Zum Unglück hob Christoph König gerade auf die angebliche Beethoven-Nähe der Komposition ab und verdeckte, was sie groß und interessant macht - das klassizistische Pathos im Kopfsatz, die lyrische Wärme im Haydn-nahen Andante (das König zum Allegretto verzerrte) und die Beiklänge der Opéra comique im Finale. Ein Fehlgriff. Schade.

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