Im Treibhaus der Beziehungen

Trier · Tennessee Williams Schauspiel "Die Katze auf dem heißen Blechdach" ist durch die Film-Version mit Liz Taylor berühmt geworden. Werner Tritzschler hat für das Theater Trier die Bühnenfassung inszeniert. Mit respektablen Ergebnissen und lautem Applaus bei den gut 600 Zuschauern.

 Wahrheit tut weh: Jan Brunhoeber als Brick (links) und Manfred-Paul Hänig als Big Daddy. TV-Foto: Friedemann Vetter

Wahrheit tut weh: Jan Brunhoeber als Brick (links) und Manfred-Paul Hänig als Big Daddy. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Da sitzen sie auf Tuchfühlung nebeneinander: Big Daddy, der alternde Großgrundbesitzer, und Brick, sein erfolgloser Sohn. Sie suchen nach einem emotionalen Kontakt, der vielleicht nie bestand. Und während sie sich Schritt für Schritt und gelegentlich auf Umwegen einander nähern, löst sich allmählich das Lügengespinst um die gescheiterte Familie und die persönlichen Schicksale auf. Bis die Wahrheit durchbricht und beide aussprechen, was in Gesten und verräterischen Formulierungen bisher nur anklang: die homoerotische Beziehung Bricks zu einem Sportfreund mit tödlichem Ausgang, der Krebs des Vaters und dessen naher Tod.
Es ist der stärkste Moment in der Trierer Neuproduktion von Tennessee Williams "Katze auf dem heißen Blechdach", eine Erkenntnis-Szene von archaischer Wucht. Mit dem grandiosen Manfred-Paul Hänig als Big Daddy, ein Aufsteiger, der jetzt Tiefenschichten seiner Persönlichkeit enthüllt, die er mit großspurigem Auftreten verdeckte: den Ekel, die Verzweiflung am Leben, die Todesangst. Und mit dem Brick von Jan Brunhoeber, der in dieser Szene ganz zur Rolle und ihrem zerbrochenen Selbst findet und sein überlaut-eindimensionales Auftreten im ersten Akt fast vergessen macht.
Werner Tritzschler inszeniert dieses Familiendrama als Kammerspiel ohne historische oder soziale Seitenblicke. Ein Treibhaus der Beziehungen - eindringlich in der nüchternen Ausstattung (Gerd Hoffmann, Arlette Schwanenberg, Alexandra Bentele) und ganz auf die Personen und ihre Darsteller zentriert. Auf der Bühne enthüllt sich eine Gesellschaft der eigensüchtigen Interessen, der offenen und versteckten Aggressionen, der kleinen und großen Lügen.
An die allergrößte, die von der Gesundheit des Patriarchen, mag noch nicht einmal der Betroffene recht glauben. Sie alle sind unehrlich - gegen sich und die anderen: Angelika Schmids emotionsstark und wunderbar vielschichtig gespielte Big Mama, der unsensibel-freundliche Reverend Tooker (Klaus-Michael Nix), Vanessa Dauns eher oberflächlich gespielte Mae, der bürgerlich-charakterlos dargestellte Cooper von Christian Miedreich und die beschädigte Seriosität von Peter Singers Doktor Baugh, den die Regie symbolstark, aber unrealistisch in den Rollstuhl versetzt hat.
Einzig die Titelfigur begehrt auf gegen das drohende Verhängnis. Sabine Brandauer beschränkt sich schon im ersten Akt nicht auf heftige Aktion, sondern erspielt sich ein differenziertes Rollenprofil. Auch ihre Margaret ist von den Lebenslügen dieser Familie nicht frei, aber sie kämpft mit einer Mischung aus Aggressivität, erotischen Anmutungen und verzweifelter Hoffnung für die Zukunft ihrer Ehe.
Der Regisseur hat eine kleine Szene aus der geschönten Filmversion in Williams Erstfassung transponiert und Big Daddy erneut auftreten lassen. Damit gewinnt die Handlung zwar an Spannung. Doch im Kontrast zum verzweifelten Optimismus, den das Elternpaar zelebriert, wirken die übrigen Figuren blass. Sabine Brandauer gerät die Lüge mit ihrer Schwangerschaft merkwürdig beiläufig - kein Befreiungsschlag, sondern bestenfalls ein ängstlicher Versuch.
Und bei Jan Brunhoeber klingt der abschließenden Schlüsselsatz "Wäre schon komisch, wenn\'s wahr wäre!?" halt- und ausdruckslos. Aber vielleicht ist gerade dieser Effekt gewollt. Denn es ist wahr: Die Zukunft in diesem Stück ist ungewiss, und über allem lauert der Tod. Die Hauptakteure erkennen das. Und sie nehmen erschrocken oder resigniert wahr, wie wenig sie bisher gelebt haben.
Weitere Vorstellungen: 14., 17., 24., 26. Mai, 2., 5., 8. und 16. Juni. Karten: Theaterkasse, Telefon 0651/718181, und auf www.theater-trier.de

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