In dieser Musik klingt Geschichte mit

Trier · Grandios: Der Trierer Bachchor und das Philharmonische Orchester spielen die Musik zum Lutherfilm live in der Konstantin-Basilika.

 Kein leichtes Unterfangen: Orchester und Chor untermalen den laufenden Film in der Konstantin-Basilika. TV-Foto: Friedemann Vetter

Kein leichtes Unterfangen: Orchester und Chor untermalen den laufenden Film in der Konstantin-Basilika. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Trier Welch eine inspirierende Atmosphäre! Die Konstantin-Basilika im mystischen Halbdunkel, das ihre Riesendimensionen scheinbar ins Unendliche verlängert, dazu das diffuse rote Licht. Rechts und links die Leinwände und dazwischen die Positionen für den Trierer Bachchor und die Philharmoniker der Moselstadt. Solch eine optische Dimension verspricht mehr als nur eine simple Filmvorführung, mehr auch als ein traditionelles Chor- und Orchesterkonzert. Etwas vom Gesamtkunstwerk schwingt da mit, ein Event, bei dem Optik und Akustik aufs Engste verschmelzen.
Genauso war es. Die Aufführung von Eric Tills Luther-Film von 2003 mit der live gespielten Musik von Richard Harvey unterschied sich nicht nur durch Großleinwand und Livemusik vom Filmtheater-Durchschnitt. Es war die Raum-Gewalt der Basilika, die die Botschaft des Films verstärkte und vertiefte.
Film und Musik waren ein echtes Breitwand-Erlebnis. Und doch bestachen in diesen großen Dimensionen gerade die Feinheiten, die diffizilen Details von Tills Regie.
Vor allem die Mimik der Akteure übertraf in ihren Differenzierungen alles, was Worte allein sagen könnten. Es war einfach großes Schauspiel: Joseph Fiennes in der Titelrolle, Uwe Ochsenknechts Papst Leo, Bruno Ganz als Luthers Ordensoberster von Staupitz, allen voran Peter Ustinovs wunderbar doppelbödige Darstellung Friedrichs des Weisen von Sachsen.
Und dazu die eindringlichen Klänge von Richard Harvey. Der prominente britische Komponist hat mit der Luther-Musik keine Oper geschrieben und kein Oratorium. Seine Komposition bleibt eine Begleitmusik zu den Filmszenen. Aber die tritt gerade in der Liveversion höchst eigenständig auf. Harvey verbindet raffiniert Gegenwart und Vergangenheit und gibt dem Film damit eine neue Dimension mit. Zentrum seiner Komposition sind die großen Klangflächen, die den wechselnden Handlungsebenen Einheitlichkeit mitgeben. Aber Harvey verzichtet auf klingende Dauer-Untermalung. Gerade an Schlüsselstellen setzt die Musik aus, und Sprache, Gestik und Mimik gewinnen beklemmende Intensität. So entwickelt sich das Augsburger Verhör Luthers durch Kardinal Cajetan zum widerwillig akzeptierten Dialog auf Augenhöhe. Und Luthers Auftritt auf dem Reichstag in Worms wird zu einer Konfrontation, die an Schärfe schwer zu übertreffen ist - gerade weil in beiden Szenen keine Klänge ablenken.
Harvey Musik verwendet ausgiebig altertümliche Harmoniewendungen und ergänzt die Besetzung mit Sinfonieorchester und Oratorienchor durch archaisches Glockenspiel, Harfe, Laute und in martialischen Szenen auch Trompeten und Posaunen. Harmonik und Instrumentarium vermitteln ein Gefühl von Vergangenheit.
In dieser Musik klingt Geschichte mit. Und doch bleibt sie ganz aktuell. In keiner Passage erstarrt die Komposition in akademischer Dokumentation. Sie bildet Historie ab, aber sie ist selber nicht historisch.
Die ferne, fast unwirkliche Vergangenheit, die sich in den archaischen Elementen der Musik spiegelt, ist Hintergrund für eine lebensnahe, ganz aktuelle Handlung. So wie der historische Luther beides war: mittelalterlich und modern. Harveys Komposition glänzt mit subtiler Reflexion, aber auch mit ausladender Energie. Beides war bei Martin Bambauer, dem Trierer Bachchor und dem Trierer Philharmonischen Orchester bestens aufgehoben.
Bei diesen Interpreten entfaltete die Musik eine enorme Tragfähigkeit und vor allem eine eindrucksvolle Präsenz. Auch in der halligen Basilika-Akustik blieb kaum etwas matt, müde, konturenlos. Die nicht ganz einfache Aufgabe, zum Film an der richtigen Stelle einzusetzen und dann die passenden Tempi zu nehmen - Bambauer, sein Chor und die Instrumentalisten bewältigten sie mit Bravour. Und während auf den Leinwänden schon der Nachspann lief, trumpften Chor und Orchester noch einmal mit großer sinfonischer Kraft auf. Ein Abgesang als später Höhepunkt. Grandios!
Eine weitere Aufführung fand am vergangenen Samstag, 2. September, statt.

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