In drei Stufen zum Glück - Wie das Bewerbungsverfahren um den Trierer Generalmusikdirektor abläuft

Trier · Mangelnde Sorgfalt wird man der Stadt Trier beim Bewerbungsverfahren um den Generalmusikdirektor und damit um die Nachfolge von Victor Puhl bestimmt nicht nachsagen können. Die Auswahl läuft über drei Runden mit stetig wachsenden Anforderungen. Ein sechsköpfiges Gremium kürt seinen Favoriten. Letztlich entscheiden muss der Stadtrat.

 Victor Puhl verlässt das Orchester – wer seine Aufgaben in Zukunft übernimmt, soll ein aufwendiges Verfahren klären. TV-Foto: Archiv/Dirk Tenbrock

Victor Puhl verlässt das Orchester – wer seine Aufgaben in Zukunft übernimmt, soll ein aufwendiges Verfahren klären. TV-Foto: Archiv/Dirk Tenbrock

Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Victor Puhl hatte sich bestens im Trierer Musikleben eingeführt und dank eigenem Stehvermögen und öffentlichem Rückenwind die Querelen um seine Vertragsverlängerung schadlos überstanden. Von da an waren es nur gefühlt ein paar Tage bis der Trierer Generalmusikdirektor (GMD) seinen Abschied zum Ende der Spielzeit 2017/2018 bekannt gab - zum allgemeinen Bedauern.Der Stadt verantwortlich

Jetzt muss ein Nachfolger her. Da mittlerweile die Diskussionen um eine Beschneidung der GMD-Kompetenzen verstummt sind und auch die geplante Umwandlung des Theaters in eine "Anstalt öffentlichen Rechts" vom Tisch ist, steht jetzt der klassische GMD-Posten zu Besetzung an.
Was bedeutet: Der GMD wird von der Stadt eingestellt, ist der Stadt zugeordnet und ihr verantwortlich. Insoweit ist er gegenüber dem Intendanten gleichberechtigt - der allerdings übernimmt den größeren Zuständigkeitsbereich. Der GMD ist allein verantwortlich für Konzerte und Orchester. Im Musiktheater entscheiden er, der Intendant und die Spartenleitung "im Einvernehmen". Ergibt sich in Bereichen, in denen sich Kompetenzen überschneiden, intern keine Einigkeit, entscheidet der Kulturdezernent.

Wer ab 2018/19 den hoheitlichen Titel eines Trierer Generalmusikdirektors führen will, muss ein dreistufiges Auswahlverfahren durchlaufen. Das Auswahlgremium besteht aus drei internen und drei externen Mitgliedern. Es sind intern: Operndirektorin Katharina John, Ursula Heckmann für den Orchestervorstand und OB Wolfram Leibe für die Stadt. Von auswärts kommen Tobias Scharfenberger, Mosel-Musikfestival und ehemals stellvertretender Intendant in Trier, Andreas Bausdorf, Geschäftsführer der Deutschen Orchesterstiftung, und der Mainzer GMD Hermann Bäumer.
127 Interessenten hatten sich auf die GMD-Stelle gemeldet, darunter neun Frauen und nach Angaben von Katharina John auch "Bewerber, die national und international tätig sind." Dreizehn davon wurden nach einer "mehrheitlichen Entscheidung" (John) des Gremiums für Anfang Januar 2017 in Runde eins des Auswahlverfahrens zu Orchesterproben eingeladen. Runde zwei mit sechs Bewerbern läuft voraussichtlich Ende Februar ab.

Sie besteht aus weiteren Bewerbungsgesprächen und Nachdirigaten bei "Hänsel und Gretel" oder "Im Weißen Rössl". Zwei Personen schaffen es dann in die Runde drei. Sie werden jeweils ein Sinfoniekonzert dirigieren. Termine und Programme sind bekannt. Am 30. März stehen die Tragische Ouvertüre von Brahms, das Flötenkonzert von Carl Nielsen und die Dritte von Schubert an, am 27. April ist es die Webers "Euryanthe"-Ouvertüre, das Cellokonzert von Nino Rota und Beethovens Zweite.

Danach berät die Findungskommission, gibt eine Empfehlung zur Rangfolge der Bewerber in der letzten Runde ab und benennt damit auch ihren Favoriten. Auch, wenn das Orchester im Gremium kein Vetorecht hat, sollen doch Entscheidungen nach Möglichkeit einvernehmlich fallen und nicht gegen das Orchester. Der neue GMD wird seine Arbeit dann im Sommer 2018 aufnehmen.

Die Erwartungen an den neuen GMD finden sich schon im Ausschreibungstext . Er müsse die "Zukunftsfähigkeit" von Orchester und Theater erhalten, sagt Puhl, der, wie allgemein üblich, nicht zur Auswahlkommission gehört. Neue Ideen erwarte man, sagt Katharina John, und eine Ausstrahlung in die Region.Meinung

Nicht Ende, sondern AnfangEs wäre vermessen, von einem Leitungsgremium, das nur bis zur Amtsübernahme eines neuen Intendanten amtiert, wegweisende Weichenstellungen zu erwarten. Fest steht: Das "Experiment Sibelius" ist gescheitert. Auf die bewährten Strukturen aus der Zeit davor zurückzugreifen ist ein kluger Schachzug. Bei Theater und Theaterpublikum muss jetzt erst einmal Ruhe einkehren, müssen in Planung und Ausführung Sicherheit und Berechenbarkeit obenan stehen. Der Generalmusikdirektor, gleich ob männlich oder weiblich, ist dabei ein stabilisierender Faktor. Die GMD-lose Zeit von 1968 bis 1979 mit einem sich immer schneller drehenden Musikdirektoren-Karussell hat gezeigt, welch große Bedeutung musikalische Autonomie in einem Theater hat. Gleichwohl: Rückgriffe sind in Krisenzeiten wichtig , aber sie lösen keine Zukunftsprobleme. Wie sich das Theater aufstellt in einer Zeit von Internet und verändertem Selbstverständnis der Besucher, bleibt eine offene Frage. Die Ausbootung von Karl Sibelius und Thomas Egger bedeutet nicht: Ende der Ideen. Sie könnte ein neuer Anfang werden. nachrichten.red@volksfreund.de

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