In Musik gefasstes Leben

Für nicht enden wollenden Jubel sorgten der chinesische Pianist Lang Lang und das Gewandhausorchester Leipzig in der Luxemburger Philharmonie. Auf dem Programm Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Dirigent: Riccardo Chailly.

Luxemburg. Zugegeben: Zu Lang Lang geht man nicht nur der Musik wegen. Da will man auch etwas abbekommen von jenem Sternenstaub, der den hochvirtuosen jungen Pianisten umgibt, seit er mit 17 Jahren sein Publikum in Chicago von den Stühlen riss. Mit einem verletzlichen Kindergesicht unterm Wuschelkopf sitzt er an diesem Abend am Flügel, sein ganzer Körper wirkt angespannt. Ein Grollen des Orchesters: und schon setzt der Tiger zum Sprung auf die Tasten an. Lang Lang gibt den 1. Satz von Felix Mendelssohn-Bartholdys Klavierkonzert Nr.1 g-moll, das weithin Beethoven geschuldet ist, hochdramatisch und kontrastreich mit der ganzen Gefühlskraft seiner 26 Jahre. Riccardo Chailly und das Gewandhausorchester begleiten ihn zurückhaltend, Chailly dirigiert stramm. Die Musik hat den Pianisten ganz, Lang Lang und Mendelssohn verbinden sich zur großen Synthese aus Leidenschaft und feinstem Empfinden.

Bewegend schön und voller Klarheit



In wahnwitzigem Tempo huschen seine Hände über die Tasten, eben noch perlen schwerelose Läufe aus seinen Fingern, gleich danach meißelt er Töne in die Luft. Riesige Klangwände baut der Pianist, durch die zuweilen eine feine Melodie leuchtet.

Selbstverloren, voll sehnsüchtiger Klangsinnlichkeit verströmt sich der junge Chinese im Andante. Und schließlich der letzte Satz: ein übermütiges, fröhliches Bravourstück. Nichts ist an diesem Abend kalte Technik, das ist in Musik gefasstes Leben. In Mendelssohns anschließender "Schottischen Sinfonie" beweisen die Leipziger, die sich mit der "Trompeten-Ouvertüre" eingeführt hatten, dass sie nicht nur eines der besten Orchester weltweit sind, sondern auch den Begriff Klangkörper im Wortsinn leben. Die Landschaft als Spiegel der Seele - das große Thema der Romantik - findet in diesem Werk Klanggestalt. Chailly und sein Orchester malen ein Klangbild widerstreitender Gefühle von bisweilen schmerzhafter Schönheit. Der gebürtige Mailänder, dem man seine Assistenz bei Claudio Abbado anmerkt, lässt frisch spielen, mit feinstem Gefühl für Geste, Nuancierung, musikalische Strömung und Unterströmung, für Frage und Antwort. Hinreißend: die Bläser, die ätherisch flirrenden Geigen. Das ist Mendelssohn aktuell: bewegend schön und voller Klarheit. Jubel im Haus für den sich die Leipziger mit drei Zugaben bedanken.