In seichten Gewässern

Was mit einem Thomas-Mann-Zitat beginnt und mit einem Stefan-Zweig-Zitat endet, kann kein schlechter Roman sein. Oder doch? Ist es überhaupt ein Roman, was der Schauspieler Christoph Maria Herbst mit "Ein Traum von einem Schiff" zusammengeschrieben hat?

 Als Kavalier auf Kreuzfahrt: Christoph Maria Herbst. Foto: privat

Als Kavalier auf Kreuzfahrt: Christoph Maria Herbst. Foto: privat

Frankfurt. Außen ist "Eine Art Roman" angekündigt, drinnen ist vom Logbuch die Rede, vom Protokollieren des Geschehenen, wie es in der Seefahrerei betrieben wird. Die formale Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, wenn das konkrete Reale mit den Mitteln des Fiktiven dürftig kaschiert, aber großzügig karikiert wird.

Christoph Maria Herbst, noch immer mehr als Bernd Stromberg aus der ProSieben-Serie bekannt als unter seinem bürgerlichen Namen, fischt mit seinem literarischen Debüt "Ein Traum von einem Schiff" in seichten Gewässern, das liegt nicht nur am Thema. Herbst hat sich vom ZDF aufs Traumschiff locken und dabei filmen lassen - zum Jahreswechsel 2009/2010 ist es passiert, zum Jahreswechsel 2010/2011 ist es für alle zu sehen. Noch 2008 hatte sich der für die Lustigkeit seiner Rollen vielfach prämierte Schauspieler und Synchronsprecher (Deutscher Comedypreis, Deutscher Fernsehpreis, Adolf-Grimme-Preis) in einem Interview sehr skeptisch über ein Engagement beim Traumschiff geäußert, ein gutes Jahr später ist er an Bord gegangen. "Umsonst Urlaub machen und dafür Geld kriegen", wie Herbst es seinerzeit ausdrückte: Dieser Verlockung konnte er dann doch nicht widerstehen.

Das Buch zum Film ist nur als sehr persönlich motivierter Versuch einer Rechtfertigung, Wiedergutmachung und Schadensregulierung zu verstehen. Ursprünglich verschickte der 44-Jährige seine Erlebnisse vom Schiff in kurzen Episoden direkt an Freunde und Verwandte, erst nach deren sehr euphorischer Resonanz wurde ein Buch draus. Es fügt den Gewissheiten und Gemeinheiten, die aus der sonnen- und hirnverbrannten Heile-Traumschiff-Welt kursieren, nichts Neues und nichts Erheiterndes hinzu. Käfig voller Narren, Soap im kolonialistischen Stil oder Mumienschlepper sind die bemühten Witzigkeiten, die Herbst zur Charakterisierung streut, die angereisten Schauspieler demaskiert er als Menschendarsteller, untalentiert und auch noch textunsicher, die alles "unglaublich" oder spannend" oder "unglaublich spannend" finden, der Regisseur erinnert ihn an die "bärtige, genmanipulierte Fliege Puck". Seine Rolle natürlich: eindimensional, austauschbar, strichmännchenhaft. Tja, was hat der anspruchsvolle Herr Herbst erwartet?

Selbst die Pelikane sind doof. Und die Schiffsgäste: altersdebil. Dafür war der Reisekatalog dick, den Herbst vorab bekam, das Drehbuch nur dünn. Auf Bora Bora folgt Boring Boring. Christoph Maria Herbst streckt seinen komischen Reisebericht mit seitenlangen Exkursen wie einem zurückliegenden Versteckte-Kamera-Horrorerlebnis, allzu vielen spaßigen Ist-wie-Vergleichen, aber auch mit einer sentimentalen Reflektion über das Leben. Er war schon unterhaltsamer als mit seinem satirischen Protokollroman, der zur Ausleuchtung eines 20 Jahre andauernden Phänomens wenig beiträgt, die TV-Serie ist Satire genug. Sein Abstecher aufs "Traumschiff" wird filmisch und literarisch schnell verdrängt sein: Der Urlaub allerdings, das beschreibt der "Comedy-Leichtmatrose" sehr unsatirisch, wird unvergessen bleiben, eben "'n Traum", so die letzten Worte des Buches. Glück für Herbst, Pech für den Leser.

Die Traumschiff-Folge mit Christoph Maria Herbst ist am 1. Januar um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen. In der Folge "Bora Bora" geht Nick Wilder als neues Crewmitglied Dr. Wolf Sander an Bord der MS Deutschland und löst den Schauspieler Horst Naumann nach 25 Jahren als Schiffsarzt ab.

Christoph Maria Herbst: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman, 208 Seiten, Scherz Verlag, 14,95 Euro, ISBN 978-3651000063

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