Instantfeste - zum Essen nur das Beste?

Trier · Essen gehen war gestern. Bei Eventdinnern wird nicht nur ein Mehrgangmenü serviert, sondern auch leicht verdauliche Unterhaltung. Worauf gründet der wachsende Erfolg dieses kulinarisch-kulturellen Zwitters?

Trier. Oma - Gott hab sie selig! - konnte unbarmherzig sein: "Beim Essen wird nicht ferngesehen!" Dieses Machtwort hatte zur Folge, dass man die Ergebnisse ihrer Kochkunst bewusst wahrnahm. Keine Zeichentrickserie lenkte von den Katastrophen ab, die kurz zuvor in der Küche stattgefunden hatten. Mal war die Salzdosierung aus dem Ruder gelaufen, mal das ursprünglich saftige Fleisch in der Pfanne verendet. Besser waren Familienfeste: Durch die Unterhaltung bei Tisch vergaß man, dass der Truthahn wie immer "gut durch", also trocken wie Zementstaub war. Mit einmal spielte die Qualität des Essens keine Rolle mehr. Wichtiger waren die Schwänke, die von der geschwätzigen Tante und dem leutseligen Vetter genussvoll ausgebreitet wurden.
Ortswechsel: ein mittelgroßer Festsaal irgendwo in Deutschland. Wieder steht Schwank auf dem Programm, diesmal jedoch professionell inszeniert. Unter dem Oberbegriff "Eventdinner" feiern Brot & Spiele ihr zeitgemäßes Comeback. Das Angebot ist riesig. Es gibt Comedy-Dinner, Märchen-, Krimi-, Musical-, Western- und Draculadinner. Die Geschichten, die man dort serviert bekommt, sind so einfach zusammengerührt, dass man der Handlung selbst dann noch zu folgen vermag, wenn man sich zwischendurch ins Essen vertieft.
Doch wer tut dies schon? In Zeiten des vorgefertigten Convenience-Food - der Soßen, Gemüse und Desserts, die frisch aus dem Beutel kommen - müssen Gastronomen neue Wege finden, um zahlungskräftige Kundschaft anzulocken. Eventdinner sind dafür der geeignete Köder.
Der Mensch ist nämlich - was im Zeitalter des Individualismus gern vergessen wird - ein geselliges Wesen. Feier-Tage sind seit jeher zentraler Bestandteil jeder Kultur. Bloß ist das Festefeiern im 21sten Jahrhundert gar nicht so einfach. Durch die Globalisierung der Wirtschaft und das damit verbundene Berufsnomadentum sind Freunde und Verwandte vielfach in alle Herren Länder versprengt. Unter der hohen Mobilität leiden Stadtteil-, Dorf- und Vereinsfeste - zu viele Zugezogene, zu viele Weggezogene, zu viel Fremdheit.
In diese Lücke stoßen die Eventdinner. Sie bieten einen großen festlichen Rahmen und liefern zugleich das passende Programm, damit sich unter lauter Unbekannten keiner unwohl fühlen muss. Die Rollen der gesprächigen Verwandten übernehmen dabei umherziehende Gauklertruppen; tourende Schauspielensembles, die durch die Einbeziehung des Publikums in die Handlung die Atmosphäre so weit lockern, dass spätestens zum Hauptgang Plauderlaune herrscht. So wird es am Ende ein netter Abend. Das Essen war o.k., das Stück recht kurzweilig, und die Leute am Tisch waren auch nicht verkehrt.
Und doch hinterlässt das Ganze einen seltsamen Nachgeschmack. Ein wenig wie bei Instantkaffee. Es sieht aus wie feiern, es wirkt wie feiern (dafür sorgt der Alkohol), aber es schmeckt nicht wie feiern, sondern irgendwie künstlich. Persönliche Erlebnisse gehören eben nicht in die Hände von Eventmanagern.

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