Intelligente Tortur für Zwerchfell und Hirn

Er zählt zu den versiertesten politischen Kabarettisten der Republik: Volker Pispers schlug nach 20 Jahren mit seinem aktuellen Soloprogramm "Bis neulich" wieder in Trier auf. Dieses Mal standen in der Europahalle 1000 Fans auf den Stühlen.

Trier. (zad) Trier? Da war doch mal was. Kramen im Hinterstübchen. Dito - vor zwei Dekaden trat Pispers vor nur 25 Leuten in der Tufa auf. "Wer damals dabei war, wird manches kennen", drohte und versprach der studierte Pädagoge. Denn Pispers bündelt in seinem Programm nicht nur frische rhetorische Faustschläge gegen den deutschen Polit-Zoo, sondern spendiert seinen Immertreuen auch einige Streiflichter aus Nummern der vergangenen Legislaturperioden.

Aber Pispers zaubert keine verstaubten Kabarett-Kalauer aus dem Hut, sondern poliert die "alten Schätzchen" auf - mit erschreckender Aktualität. Seinen grundlegenden Stil hat er über die Jahre nicht verändert: Pispers ist der scheinbar harmlos daherredende Gutmensch mit Vollbart und Strickpullover geblieben. Seine Jonglage von Zitaten, seine schwindelnden Rechen-Operationen und seine skurril-realistischen Zukunftsszenarien kommen wie Schläge in die Magengrube daher. Aber dieses Lachen befreit von all dem Wahnsinn aus Welt, Wirklichkeit und medialem Pipapo. Die Wahlnachlese fällt dürftig aus - viel Fallobst. Merkel, Münte, Westerwelle - da muss einen nüchternen Menschen doch das Grauen überfallen. Früher lebte man in Angst, der Russe stünde gleich vor der Schlafzimmertür. Heute gibt's El Kaida - aber die strunzdumme Jugend weiß sowieso nicht, wo man hin müsste, um dem Russen eins auszuwischen. Stattdessen füttert der Deutsche munter seine Ängste mit Themen wie Rente, Gesundheit und der Angst vor Terroranschlägen - aber dann FDP wählen. Passt das zusammen? "Politisches Kabarett ist der moderne Ablasshandel. Wenn wir irgendwann vom Kapitalismus befreit werden, dann holen Sie ihre Kabarettkarten raus und sagen: ,Ich war im Widerstand'." Das Schäbigste, was laut Pispers auf Gottes schöner Erde kreucht, sind Wirtschafts-Analysten. "Die sehen jemanden einen Teller Suppe essen und rechnen dann hoch, wie viel Suppe in den nächsten 50 Jahren gegessen wird. Nur dass der Typ den Fraß nach dem ersten Löffel gleich weggekippt hat." Ein unbedeutender Parameter. Solche Menschen stellen Wirtschaftsprognosen auf. Und die Medien summen alles munter mit. Thema Bankenkrise. "Ich gehe zur Commerzbank und grübele, bin ich nun Kunde oder Besitzer?"

Und Trier? "Manches ist sehr alt hier. Dass die Römer hier waren, sieht man an den Kacheln auf der Toilette", frotzelt Pispers über den antiken Look der sanitären Einrichtungen. Drei Stunden intelligenteste Tortur für Zwerchfell und Hirn.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort