Interview Optimistisch bleiben und nach vorne schauen

Luxemburg · Der Intendant der Theater der Stadt Luxemburg spricht über die Wiederöffnung der Kultur und die Bedeutung fester Ensembles.

   Tom Leick-Burns,     Intendant der Theater der Stadt   Luxemburg.

Tom Leick-Burns, Intendant der Theater der Stadt Luxemburg.

Foto: Bohumil Kostohryz

Luxemburg hat es derzeit besser, zumindest was die Kultur angeht. Museen und  Theater sind geöffnet und bieten Kulturfreunden Ablenkung und Erholung vom Corona-Stress, auch wenn die Hygienekonzepte in der Pandemie Masken vorschreiben, den Zugang regeln und die Teilnehmerzahlen beschränken. „Die Kultur ist sicher“, triumphiert das Nationalmuseum  auf seiner Website. Auch der Intendant der Städischen Theater Luxemburgs, Tom Leick-Burns, freut sich, dass seine Häuser, das Grand Théâtre und das Kapuzinertheater, wieder spielen können. Wolkenlos ist der Himmel  allerdings nicht und der Kampf mit dem Corona-Alltag oft mühsam. Zudem bleibt  die Zukunft ungewiss, wie er im Gespräch mit Eva-Maria Reuther berichtet.

Herr Leick-Burns, wie fühlen Sie sich als Theaterintendant in diesen Zeiten?

TOM LEICK-BURNS Eigentlich so, wie man sich schon gefühlt hat, als die Krise begann. Es ist alles immer noch sehr ungewiss. Man muss jeden Tag aufs Neue die Projekte analysieren. Es  bleibt ein Jonglieren mit   Produktionen und Daten und den Zwängen der Maßnahmen überall in Europa. Wir sind hier wenigstens in der Situation, dass wir Publikum empfangen können. Was uns auf jeden Fall freut, aber die Programmierung auf keinen Fall einfacher macht.

Wieviel Personen dürfen Sie zu den Vorstellungen empfangen?

LEICK-BURNS Wir haben die hygienischen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung umgesetzt. Das sind die gleichen wie vor der Schließung im November, das heißt zwei Meter Distanz auf 360 Grad zwischen den Besuchern und Maskenpflicht. Im Großen Haus können wir bis zu maximal 100 Besucher empfangen, im Studio und im Kapuzinertheater etwa 50 bis 60 Gäste platzieren. Das hängt davon ab, aus wieviel Haushalten die Besucher kommen.

Wie reagiert Ihr Publikum auf die Einschränkungen?  Schließlich bieten Sie ein attraktives Programm mit prominenten Gastspielen.

LEICK-BURNS Die großen internationalen Produktionen fallen derzeit wegen der Einschränkungen und unterschiedlichen nationalen Auflagen leider nach und nach aus, weil es für die verschiedenen Häuser und Kompagnien sehr schwierig ist, nach Luxemburg zu kommen. Zudem mussten einige internationale Tourneen oder Wiederaufnahmen von großen Opern wegen der zahlreichen Schließungen der Theaterhäuser in Europa abgesagt werden. Aber unser Publikum ist im Endeffekt dankbar, dass es überhaupt ins Theater kann und einen kurzen Moment dem belastenden Alltag entfliehen kann. Die aktuellen Einschränkungen werden natürlich vom Publikum wahrgenommen, aber auch verstanden, da sie zu unserer aller Wohle sind. Seit Anfang unserer Spielzeit hatten wir jedoch großes Glück und konnten bislang alle unsere hauseigenen Produktionen auf die Bühne bringen und so unseren Zuschauern, trotz aller Widrigkeiten, ein abwechslungsreiches Programm anbieten.

Sie sind bislang in erster Linie ein Bespieltheater mit wenig Eigenproduktionen. Ist  die Programmgestaltung da nicht in diesen Zeiten extrem erschwert?

LEICK-BURNS Das ist mittlerweile anders. Unser Spielzeitplan besteht vorwiegend aus großen internationalen Gastspielen und Koproduktionen, aber auch aus hauseigenen Kreationen, die einen immer größeren Platz in unserer Programmierung einnehmen.

Aber Sie  besitzen kein festes Ensemble. Haben Sie vor, eines zu bilden?

LEICK-BURNS Nein, wir engagieren die Schauspieler projektbezogen. In erster Linie sind das Schauspieler, die in Luxemburg und der Großregion angesiedelt sind, aber nicht nur. Zudem unterstützen  wir unsere hiesigen Choreografen und Regisseure. Lange Zeit waren wir tatsächlich ein reines Gastspielhaus. Doch das hat sich geändert. Mein Vorgänger Frank Feitler hat das Koproduzieren und das internationale Programmieren unwahrscheinlich entwickelt. Dies tun wir immer noch, aber mein Team und ich haben in den letzten fünf Jahren unsere Kapazitäten an Eigenproduktionen und die Investitionen in sie enorm erhöht. Traurig ist, dass in diesem Jahr, in dem wir unsererseits die meisten Gastspiele unserer eigenen Produktionen im Ausland hätten, die meisten Tourneen durch die Corona-Krise nicht stattfinden können.

Proben Sie derzeit? 

LEICK-BURNS Ja, die Proben gehen weiter. Das war ja sowieso der Unterschied in diesem zweiten Lockdown, dass wir weiter proben konnten. Nach „Hedda Gabler“ und „AppHuman“ haben wir auch jetzt wieder das große Glück, dass wir unsere neuste Produktion, ein französisches Bühnenstück von Alfred de Musset, am 26.Januar zur Premiere bringen können.

Viele deutsche Theater haben große Angst, dass die Kulturetats als Folge der Krise gekürzt werden und die Theater mit großen Einsparungen rechnen müssen. Haben Sie solche Sorgen auch?

LEICK-BURNS Natürlich sind wir uns alle bewusst, dass diese Krise eine enorme Herausforderung ist, auch für alle kommunalen und städtischen  Kassen. Aber ich muss zu meiner Erleichterung sagen, auch wenn es darum geht, jetzt ein bisschen vorsichtiger in die Zukunft zu schauen, habe ich nicht gehört, dass Kürzungen anstehen. Ich denke die Unterstützung für die Kultur seitens der Stadt für unsere Häuser ist momentan nicht gefährdet.

Typisch für die deutsche Theaterlandschaft ist  das Ensemble-Theater. Schaut man ins europäische Ausland oder nach Amerika, wird dort wie bei Ihnen projektbezogen  oder mit Gastspielen gearbeitet.  Wo sehen Sie da Vorzüge und Nachteile?

LEICK-BURNS Eins ist sicher: in Krisenzeiten sind die Vorteile eines Ensemble-Theaters offensichtlich. Die Künstler sind abgesichert, haben ein festes Einkommen, sind fest angestellt, haben jetzt vielleicht Kurzarbeit. Sie stehen auch weiterhin zur Verfügung, weil sie fest am Haus arbeiten. Bei uns sind die Einbußen natürlich viel größer für die Künstler wie für das Haus, weil andauernd Projekte abgesagt werden. Ich bin natürlich dafür, die Künstler zu entschädigen, möglichst 100-prozentig, wenn das Budget der Häuser das zulässt. Die Krise hat uns auch gezeigt,  in welcher Hinsicht wir den Statut des frei schaffenden Künstlers vielleicht neu denken müssen, damit die Sicherheit und Stabilität der Einkünfte gewährleistet ist, auch wenn unser Ministerium alle  Kulturschaffenden und vor allem die Künstler während der Krise bislang sehr unterstützt hat. Was meine Ansicht als Intendant und künstlerischer Leiter der städtischen Luxemburger Theater angeht, so finde ich unsere Form besser als das Ensemble-Theater, weil man natürlich viel mehr Freiheit hat. Man kann die Besetzungen je nach Projekt  gestaltgenau ausrichten. Man kann  die Schauspieler jeweils neu mit den Regisseuren zusammen auswählen, und auch für die Schauspieler kann es sehr bereichernd sein, regelmäßig mit neuen Kollegen zu spielen und sich überraschen zu lassen. Ich denke, es ist zudem für die Schauspieler, die hier leben, wichtig, im Ausland zu arbeiten. Wir versuchen  deshalb immer wieder, unsere Schauspieler in internationalen Kooperationen einzusetzen, damit ein Austausch stattfindet.  Ich glaube, auch in dieser Hinsicht ist unser System viel flexibler.

Wann rechnen Sie damit, dass Sie wieder mit vollem Haus spielen können?

LEICK-BURNS Das ist eine ganz schwierige Frage. Man geht davon aus, dass die aktuelle Situation bis Februar verlängert wird. Ein Ende ist aber gerade wegen der ansteckenderen Mutanten des Virus’ noch gar nicht abzusehen. Meine Hoffnung ist, dass, wenn es wärmer wird und mehr Leute geimpft sind, wir in der nächsten Spielzeit wieder unter einfacheren Bedingungen spielen können. Aber ich glaube nicht, dass sich in dieser Spielzeit viel ändern wird. Vielleicht werden die Auflagen etwas gelockert und wir können wieder etwas mehr Zuschauer empfangen. Aber es ist ganz, ganz schwer einzuschätzen, wie das genau verlaufen wird.

Was planen Sie unter diesen ungewissen Umständen für die nächste Spielzeit?

LEICK-BURNS Das ist keine leichte Aufgabe. Da ganz viele Produktionen nicht stattfinden, können sie natürlich auch nicht reisen. Was die Möglichkeiten internationaler Produktionen angeht, müssen wir die Entwicklung verfolgen. Da ist natürlich auch einiges geplant. Wir werden uns weiterhin um die Künstler bemühen und  unsere Solidarität mit den anderen Häusern weiterführen. Als Folge der Planungsunsicherheit werden wir auch unseren nächsten Spieplan anders als üblich nicht im Mai, sondern  erst im Sommer veröffentlichen können. Es dauert in diesen Zeiten einfach länger, Pläne zu machen.

Aber Sie gehen mit Mut und Optimismus  in die nächste Spielzeit?

LEICK-BURNS Die muss man haben. Man muss optimistisch bleiben und nach vorne schauen und einfach hoffen, dass das Schlimmste hinter uns liegt. Perspektivlosigkeit, wie ich sie auch teilweise bei meinen Kollegen spüre, ist das Allerschlimmste. Wir sind ja alle nur Menschen. Und man muss einfach darauf hoffen, dass sich die Krise in den nächsten Monaten beruhigt und wir sie durch den Sommer und die Impfkampagnen bald überwunden haben. Ich bleibe zuversichtlich.

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