Ist das noch Musik?

Wer hat an der Uhr gedreht ? Vor fast auf den Tag genau fünf Jahren erstürmte ein leicht übergewichtiger und schon etwas älterer junger Mann das Podium einer Fernsehsendung des Norddeutschen Rundfunks und verkündete der Welt, dass er jeden lieb habe. Dabei handelte es sich mitnichten um Jesus Christus oder einen anderen gleichkalibrigen Religionsstifter, sondern es war der finale Karrierehöhepunkt des Triererer Stadtmusikanten Guildo Horn, dessen Performance beim Vorentscheid zum Grand Prix d`Eurovision die Gemütslage einer Nation in zwei Hälften riss. Während die einen die grundsätzliche Existenz eines wie auch immer gearteten deutschen Humors bejubelten, beweinten die anderen den Untergang des Abendlandes - der Casus Küblböck war geboren.

Und während man sich im Volke noch trefflich stritt, erkannten gewitzte Musikmanager kühl die Marktlücke, die Horn, der Prototyp des schrägen Troubadours, für ihre Industrie gerissen hatte.

Fortan gab sich in Bremen und später Kiel ein Stelldichein, was bunt und lustig war: Zlatkos öffentliche Selbsthinrichtung, die avantgardistische Verwüstungsorgie von Knorkator sowie das Lebenskonklusium vom Gottvater des Infantilhumors himself, Stefan Raabs "Wadde hadde Du denn da?". All dies durften wir in den letzten fünf Jahren staunend bewundern, wobei sich immer wieder viele kopfschüttelnd fragten: Was hat das denn noch mit Musik zu tun?

Naja, vielleicht nicht immer viel - aber dafür immer einiges mit richtig runder Unterhaltung! Seit 1998 ist der nationale Grand-Prix-Vorentscheid eine knallbunte Wundertüte, die - in Freude oder Ärger - immer eines für alle bietet: Entertainment! Und das in diesem Jahr die Fahne der Spaßvögel lediglich von Elmar Brandts Gummikanzler hochgehalten wird, ist eine bedenkliche Entwicklung, denn: Wenn die Lustigen mal keine Lust mehr haben, wird der Grand Prix vielleicht zum "seriösen" Gesangskontest - bloß: Wer will das haben?

Für das nächste Jahr wünsche ich mir Daniel K., Andrea Berg, die Toten Hosen und Uli Hoeneß als Wettstreiter um die Fahrkarte zum Grand Prix nach Berlin - denn egal wie sich\\\'s anhört - das muss man gesehen haben!

Ich find` Schlager toll.

Ihr Frank Laufenberg

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Der Countdown läuft: Am 7. März entscheidet sich, wer für Deutschland beim Internationalen Gesangswettbewerb Grand Prix d`Eurovision de la Chanson in Riga singen wird. Michael Kernbach hält die TV -Leser täglich bis zum Vorentscheid in Kiel auf dem Laufenden. Michael Kernbach wurde 1965 in Trier geboren und ist vielen noch besser als "Hoppla! B. Benito" bekannt. Unter diesem Namen gehörte er als Bassist und kreativer Kopf zu Guildo Horns Band "Die orthopädischen Strümpfe", mit denen er 1998 beim Grand Prix in Birmingham teilnahm. Heute lebt der Autor, Komponist und Musikproduzent in Brühl bei Köln. Der Echo-Preisträger und Hitautor ("Steuersong") bewirbt sich in diesem Jahr als Co-Autor des Titels "Alles wird gut" der "Gerd Show" um das Ticket für das Schlager-Festival in Riga (Lettland).

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