Ja ist denn schon wieder Mozart?

TRIER. Musik ist hier zu Lande gemeinhin in kleine Kästchen eingeteilt. E und U, Klassik und Avantgarde, Kommerz und Kunst, Dur und Moll. Und dann kommt einer daher, setzt sich ans Klavier und schmeißt zum Amüsement des Publikums lustvoll alle Kästchen durcheinander.

Eigentlich sieht der Mann ganz harmlos aus. Vielleicht, weil Armin Fischer in den 80er- Jahren tatsächlich mal das gemacht hat, was er als "running gag" durch den ganzen Abend zieht: Piano spielen auf Kreuzfahrtschiffen, mit minimalem Repertoire (Natürlich: "As time goes by") und routiniert-manischem "Guten Abend"-Gruß für kommende und gehende Gäste. "MS Arkona" und "MS Seacloud" lauteten ausweislich seiner Internet-Biografie seinerzeit die Stationen. Wahrscheinlich hatte er damals viel Zeit zum Nachdenken. Und was ihm eingefallen ist an Weisheiten und Sottisen, Erkenntnissen und Enthüllungen in Sachen Musik, das hat er in Kabarett-Programme gegossen. Weniger mit dem anarchischen Humor seines Kollegen Hans Liberg, eher mit liebenswerter Ironie, die auch vor dem Kunstgriff des Kalauers nicht zurückschreckt. Es darf gelacht werden, und zwar so reichlich, dass es das überwiegend handverlesene Publikum im IHK-Tagungszentrum phasenweise geradezu durchschüttelt. Das liegt an dem Pointen-Feuerwerk, das Fischer zündet. Er spielt Richard Clayderman mit zwei Fingern (mehr sind für dessen Repertoire tatsächlich nicht nötig), intoniert Mozarts "Alla Turca" spiegelverkehrt oder klimpert Volkslieder auf Zuruf, mit dem Rücken zum Klavier sitzend in Handschellen-Griffhaltung. Stets finden schräger Humor und solides Handwerk zu einer skurrilen Kombination zusammen. Haupt-Objekt seiner Betrachtungen ist, passend zum Jubeljahr, Wolfgang Amadeus Mozart. Ob er vom Publikum ausgewürfelte Notenfolgen im Mozart-Stil interpretiert, sich in philosophischen Betrachtungen ergeht ("Mozart war klein, besonders am Anfang"), oder gewagte Vergleiche zieht ("Ich habe ihn überrundet, als ich mit neun ein Stück spielte, das ihm erst mit 34 eingefallen ist"): Der Salzburger Genius ist im Programm stets präsent, auch wenn nebenher Chopin, Beethoven, Smetana, Johann Strauß, Bach, Schubert, Weill, die Beatles, Dave Brubeck, Rimsky-Korsakow oder Louis Armstrong ihre Visitenkarte abgeben. Zu Höchstform läuft Fischer auf, wenn er aus verschiedenen Genres eine Melange rührt. Da schwimmen "Alle meine Entchen" in der "Moldau", entpuppen sich "Ballade pour Adeline" und "Mackie Messer" als uneheliche Kinder von Bachs "Präludium", wird die Melodie von "Take Five" als Produkt eines englischen Rasenkantenschneiders entlarvt, erzählt das "Forellenquintett" von Verdauungsproblemen des Komponisten nach übermäßigem Fischgenuss. Das alles holt die Klassik vom hehren Sockel, ohne sie zu denunzieren. Alle kochen nur mit Wasser, lautet Fischers unausgesprochene Botschaft. Das kommt an, auch wenn Mosel Festwochen und IHK als Veranstalter eine edle Weinprobe als starkes Beiprogramm anbieten. Trotz der leiblichen Genüsse, die noch warten, erkämpft sich das Publikum ein Bouquet von Zugaben.

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