Jacques Berndorf wird 75 Jahre alt

Stadtkyll/Dreis-Brück · Fast wäre er unter dem Säufermond verreckt, nun feiert er im Schriftstellerolymp Geburtstag: Heute wird Manfred Hugo Michael Preute, besser bekannt als Jacques Berndorf, 75 Jahre alt - und wundert sich selbst darüber. Warum? Das verrät Deutschlands Krimi-König in einem Buch über sein wildes Leben. "Von der Eifel aus betrachtet" heißt das Werk.

Stadtkyll/Dreis-Brück. Wenn es das Wort "Arschloch" nicht gäbe, hätte dieses Buch etwa zehn Seiten weniger. Steht im Vorwort. Das fängt ja gut an, mit einem Warnhinweis: Achtung, nichts für schwache Nerven und zartbesaitete Gemüter, hier geht\'s auf dreihundert Seiten zur Sache.
Hmm. Das anale Gedöns verhandeln doch die üblichen Verdächtigen in ihren Schoßgebeten zur Genüge. Kommt eine Biografie über den Bestseller-Autor Jacques Berndorf nicht ohne Vulgär-Vokabular aus? Nö. Sie wäre nicht authentisch, sie würde den Mann nicht zeichnen, wie er ist. Direkt. Ehrlich. Unverblümt. Mit Arschloch und Scheiße und allem Pipapo.
Getrieben von innerer Wut


Schockierend? Nein, nicht wegen des deftigen O-Tons in jedem zweiten Berndorf-Zitat. Was aufwühlt: die Eskapaden, die Abstürze, die genialen Momente in der Vita dieses Homme de lettres. Wer glaubte, alles über J.B. zu wissen, lernt: Dieser Mensch hat mehrere Leben gelebt, ein paar parallel, ein paar hintereinander. Ein gebrochener Held, getrieben von innerer Wut, vielfach gescheitert. Einer, der sich verliert, wieder findet, neu erfindet und endlich in sich ruht.
Wie Fritz-Peter Linden, ansonsten Reporter beim Trierischen Volksfreund, das aufschreibt, ist bemerkenswert: dicht dran, und doch mit ironischer Distanz und launig-lästerlichen Anmerkungen. Ein Lesespaß der besonderen Art!
Flirt mit Romy Schneider


Er habe Preute-Berndorf weder zum Gott noch zum Guru verklären wollen, sagt Linden: "Glocken unke passt viel besser." Jene Amphibie aus der Gattung der Froschlurche, die in einem Teich nahe des verlassenen Steinbruchs im Ort Berndorf haust - und in zahlreichen Eifel-Krimis. Ein Unkerich also, dieser Preute-Berndorf. Er ohrfeigt Chefredakteure und flirtet mit Romy Schneider. Er leert zwei Flaschen Whiskey am Tag und pumpt sich mit Tabletten voll. Er verdient Unsummen und verschenkt alles. Er ruiniert Ehen und Familien. Einen Selbstmordversuch überlebt er knapp.
Als abgerissener, abgebrannter, abgefuckter Starreporter und Weltenbummler verirrt er sich 1984 in die Eifel. Und bleibt. Er hat den Blues, er häutet sich, zum wiederholten Mal, er fängt ganz von vorn an. Kein Alkohol mehr. Keine Tabletten. Keine Extravaganzen. Aus Michael Preute wird Jacques Berndorf. Der Rest ist Legende. Krimi-Legende. Millionenfach verkauft.
Kann das stimmen, fragt sich der Leser? Solche Geschichten denken sich Schriftsteller aus, klar. Aber so etwas passiert nicht wirklich. Dichtung und Wahrheit. Dichtung oder Wahrheit. Fritz-Peter Linden recherchiert und rekonstruiert, er vergleicht das, was Berndorf, der frühere Preute und noch viel frühere "Icki" (Kosename aus Kindertagen) für seine Erinnerung hält, mit Passagen aus Krimis und Thrillern.
Seine Pfeifen, seine Katzen


Was ist wahr? Was ist erdichtet? Linden fahndet, späht, ermittelt wie ein Detektiv. Das Resultat ist der Roman eines Lebens. Genau das macht den Reiz aus. Dieses Changieren zwischen Sein und Schein.
Es ist, mutmaßlich, nicht immer verbrieft und verbürgt, was dem alten Unkerich einfällt und was sein Chronist und Analytiker raushaut. Aber stets wahrhaftig.
Bei Berndorf drängt das Biografische wie selbstverständlich ins Literarische. Und umgekehrt. Kunstfiguren wie Kommissar Rodenstock oder Emma sind real existierenden Charakteren nachempfunden. Und dass in Siggi Baumeister immer ein bisschen Berndorf-Preute steckt, ahnt jeder Eifel-Krimi-Fan. Sein Haus, seine Pfeifen, seine Katzen.
Eine Biografie? Keine Biografie? Egal. Es ist eine Liebeserklärung an die Eifel. Von Berndorf, den die Eifel gerettet hat. Der sich nach einem Dorf in der Eifel nannte. Der den Eifel-Bindestrich als Marke in der deutschen Literatur etablierte. Eifel-Blues. Eifel-Gold. Eifel-Filz. Eifel-Schnee. Eifel-Feuer. Eifel-Rallye. Eifel-Jagd. Und so weiter, und so Eifel.
Berndorf, der prominente Eifel-Botschafter, hat seine neue Heimat einst als "schönsten Arsch der Welt" bezeichnet. Was für ein Wort! Es animierte wohl Tausende, notiert Fritz-Peter Linden, auf den Spuren der berühmten Krimi-Protagonisten einmal ausgiebig in diesen Arsch hineinzukriechen ...

Fritz-Peter Linden: Jacques Berndorf - Von der Eifel aus betrachtet. KBV-Verlag Hillesheim, 300 Seiten mit Bildern, 19,95 Euro. ISBN: 978-3-942446-28-0
Premierenlesung ist am Mittwoch, 2. November, 20.15 Uhr, in der Buchhandlung Mayersche Interbook in Trier.

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