Kunst Freundlich, aber ohne Risiken und Nebenwirkungen

Trier · Die Gesellschaft für Bildende Kunst Trier zeigt ihre Jahresausstellung in der Tufa. Besonders risikofreudig präsentieren sich die Künstler dort nicht.

Gemälde von Brigitte Lichter: „Musa basjoo I“.

Gemälde von Brigitte Lichter: „Musa basjoo I“.

Foto: TV/Eva-Maria Reuther

Vernissage in Zeiten des Virus: Gleich dreimal wurde die Vernissage zur Jahresausstellung Trierer Gesellschaft für Bildende Kunst in der Tufa wiederholt, je mit maximal 30 Besuchern. Die Rezensentin schaffte es zum zweiten Durchgang. Also Vernissage die zweite: Als neue Vorsitzende begrüßte Gabriele Lohberg, die ehemalige Chefin der Europäischen Kunstakademie, die Gäste und verlas ein Grußwort des Schirmherrn, des Trierer Kulturdezernenten Thomas Schmitt. Der verhinderte Kommunalpolitiker begrüßte die Ausstellung als Möglichkeit, zum künstlerischen Experiment und zur kritischen Auseinandersetzung.

Rund 40 Künstler der Vereinigung versammelt die Leistungsschau, die ausschließlich neue Arbeiten aus den Jahren 2019 und 2020 präsentiert. Das ist verdienstvoll, wird so doch der aktuelle Stand des künstlerischen Schaffens eines Teils der Mitglieder erhellend abgebildet. Ein eigenes kleines Kabinett widmet die Schau ihrem in diesem Jahr verstorbenen Mitglied Dieter Sommer.

Einmal mehr ist die Jahresausstellung unjuriert. Auch das ist eine sinnvolle Entscheidung, bietet sich so doch einmal im Jahr allen Mitgliedern ein Forum, das eigene Werk vorzustellen. An Ausdrucksmitteln bleibt die Schau konventionell. Zu sehen sind Gemälde, Grafik, Fotografie und Bildhauerei. Selbst die interessanteste Arbeit und einzige Installation, René Dietles „433/Gezeichnete Stille“ ist fest verankert im modernen, etablierten Kunstschaffen. Die konzeptionelle Arbeit bezieht sich auf das berühmteste Werk des US-amerikanischen Komponisten John Milton Cage, das den Titel „4´33“ trägt und den Zuhörer auffordert, vier Minuten und 33 Sekunden über Geräusche und die Stille dazwischen – sprich über den Musik-Begriff nachzudenken. Dietle präsentiert in einer Vitrine einen Stapel unbeschriebener Notenblätter, eine Partitur der Stille gleichsam, die den Betrachter animiert, angesichts der leeren Blätter umso genauer auf die Geräusche um ihn herum zu hören.

Im übrigen kommen die gut präsentierten Arbeiten Auge in Auge mit dem Betrachter ausgesprochen freundlich daher. Gleich eingangs sind drei quasi Altmeister in der Galerie vor dem großen Ausstellungssaal zu besichtigen. Clas Steinmanns virtuos als digitale Collage bearbeitete Landschaftsaufnahme, die wie eine Zeichnung wirkt, wird flankiert von Anna Recker, die neuerlich das Geistige der Geometrie sinnlich erfahrbar macht. Etwas weiter verweist Carine Kraus Gemälde wie so oft eindrücklich auf die Unsicherheit der Wahrnehmung. Ein sehr gelungenes Entree, das demonstriert, dass die Kunst ihre Fragen als vollsinnliche ästhetische Erfahrung verhandelt.

Hochdynamisch zieht Andreas Hamachers Stahlskulptur den Blick im Saal auf sich. Leuchtend und optimistisch kommt Gerhard Freisings formal strenges Modell einer Lichtskulptur für den öffentlichen Raum daher. Aus dem Regelwerk der geometrischen Form hat sich Liane Deffert in ihren aktuellen Plastiken hin zur formalen Freiheit gelöst. Ansehnlich präsentieren sich viele der Arbeiten.

Experimente sind allerdings keine zu besichtigen, nicht einmal wirkliche Risikobereitschaft. Selbst Neu-Mitglieder wie Brigitte Lichter malen brav realistisch Bananenblätter, pompös korrekt botanisch betitelt als „Musa basjoo“, eine japanische Bananenart. Zum Hauptgemälde gibt es noch einen gezoomten Mini-Ausschnitt, der auch nicht weiterführt. Höchstens ein Versuch aber kein Experiment sind Frederick Reifstecks „David“ (nach Michelangelo) und seine „Motion“. Stille Aquarelle voll Innerlichkeit legt Waltraud Jammers vor. Freude macht das Wiedersehn mit Dieter Sommers von der französischen Moderne inspirierten farbstarken Collagen. Bleibt noch die grundsätzliche Frage, ob über Vernissagen im herkömmlichen Sinn in Corona Zeiten nicht nachzudenken sei. Eine Alternative wäre etwa das bei den europäischen Nachbarn übliche Walk-in, bei dem das Publikum über den Nachmittag und Abend verteilt, kommt und geht. Versteht sich, dass die Obergrenze der möglichen Besucher eingehalten werden und die Ampel auf Rot springen muss, wenn sie erreicht ist.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 15. November dienstags, mittwochs und freitags von 14 bis 17 Uhr, donnerstags von 17 bis 20 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 11 bis 17 Uhr. Infos: www.tufa-trier.de, gb-kunst.de

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