Jahreswechsel, der unter die Haut geht

Zum letzten Mal gestaltete Joachim Reidenbach ein Konzert zum Jahreswechsel in St. Paulin. Er sprach vielen aus dem Herzen, als er den Wunsch äußerte, dass auch sein Nachfolger die Serie fortführt.

Trier. (gkl) Das erlebt man nicht oft bei einem klassischen Konzert. Interessierte müssen wieder nach Hause geschickt werden, weil es keine Karten mehr gibt. So geschehen am Silvesterabend, weit vor Beginn des traditionellen Konzertes zum Jahreswechsel. Entsprechend drangvolle Enge herrschte im Kirchenschiff der Basilika St. Paulin. Eine Veranstaltung, die einige Überraschungen parat hielt und die vor allem ein, fast wäre man geneigt, "buntes Programm" anbot. Angefangen bei einer Kantate von Johann Sebastian Bach (Lobe den Herrn, meine Seele, BWV 143) über das Trompetenkonzert in D-Dur von Johann Friedrich Fasch und Adagio und Fuge in C-Dur, KV 546, von Wolfgang Amadeus Mozart, bis hin zur Motette "Quare fremuerent gentes" von Cesar Franck und der Kantate "Verleih uns Frieden gnädiglich" von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Schon seit Jahren ist dieses Konzert am Silvesterabend ein Muss für viele, die den Jahresabschluss mit Musik und in einem Gotteshaus verbringen möchten. Es war 1992 die Idee von Regionalkantor Joachim Reidenbach, und er schloss damit eine offensichtlich klaffende Lücke im eigentlich sehr reichhaltigen Konzertangebot der Stadt. Durch all die Jahre hindurch waren die Eintrittskarten meist schon kurz nach Beginn des Vorverkaufs vergriffen. Oftmals waren es Konzerte, die in Fragen der Interpretation nicht immer auf einhellige Zustimmung stießen. Schnelle Tempi, satte Klänge bestimmten oft das Geschehen. Aber, bei aller Kritik, die Konzerte waren immer etwas Besonderes, sie waren alle ein Erlebnis. Um so erstaunlicher, was man beim Abschiedskonzert von Reidenbach erleben konnte. Nirgendwo konnte von überzogenen Tempi die Rede sein, und auch das Klanggewand, in dem er die Werke aufführte, war trotz eines üppigen Orchesters rank und schlank.

Die Sängerinnen und Sänger von Basilikachor und dem Vokalensemble St. Paulin zeigten sich bestens vorbereitet und machten ihrem Chorleiter noch einmal alle Ehre. Tenorsolist Marc Dostert, seit vielen Jahren Stammgast beim Silvesterkonzert, stand bei der Bachkantate in nichts nach, und auch Bariton Vinzenz Haab konnte insbesondere bei Cesar Franck glänzen.

Am Ende des Abends verabschiedete sich Reidenbach mit Reidenbach. Seine Komposition "Der Herr ist mein Hirt", Klangbilder zu Texten aus dem Buch Hiob und dem 23. Psalm, bildete das Finale des Konzertes und stellte zweifelsfrei den Höhepunkt dar. Kombiniert hatte er für dieses Opus einen Sprecher (Christian Reidenbach), die große Basilikaorgel (Domorganist Josef Still), einen vier- bis achtstimmigen Chor und das Orchester. Alle zusammen gestalteten das Werk in einer Art, die unter die Haut ging. Es war eine fast genialische Kombination aus der Zuversicht, die den Psalm prägt, und der Verzweiflung, die das Buch Hiob immer wieder prägt. Mehr als nur einmal musste man sich fragen, was das Gelungenere war; die theologische oder die musikalische Umsetzung. Es war absolut richtig, dass Reidenbach trotz des minutenlangen Applauses auf eine Zugabe verzichtete. An dieser Stelle konnte nichts mehr kommen.

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