Jenseits von Schubladen

Trier · Der Kölner Popsänger und Songschreiber Purple Schulz hat sich in der Tufa Trier mit neuen, engagierten Liedern aber auch seinen größten Erfolgen aus den 1980er Jahren zurückgemeldet. Im Duo mit Gitarrist Schrader, bekannt aus Guildo Horns Band Die Orthopädischen Strümpfe, gab er ein so kurzweiliges wie gehaltvolles Konzert.

 Machen im Duo so viel Stimmung wie eine vielköpfige Band: Purple Schulz (links) und Schrader in der Tufa Trier. TV-Foto: Anke Emmerling

Machen im Duo so viel Stimmung wie eine vielköpfige Band: Purple Schulz (links) und Schrader in der Tufa Trier. TV-Foto: Anke Emmerling

Foto: Anke Emmerling (ae) ("TV-Upload Emmerling"

Trier. Selbstironisch singt Purple Schulz über den morgendlichen Blick in den Spiegel: "Das ist nicht fair." Ja, 59 Lebensjahre haben an ihm Spuren hinterlassen. Aber sie haben auch die Individualität seiner Musikerpersönlichkeit reifen lassen.
Eindrucksvoller Beweis ist gleich die erste Konzerthälfte mit Songs seines neuesten Albums "So und nicht anders", die er mit seiner Ehefrau Erika geschrieben hat. Energiegeladener Auftakt mit mitreißendem afrikanischen Rhythmus ist "Ich habe Feuer gemacht". Es ist ein Appell, an die eigenen Visionen und Talente zu glauben und den Mut aufzubringen, zu tun, was andere für unrealisierbar halten.
Unbequeme Themen


Genau diesen Mut zeichnen die folgenden Lieder aus, denn sie behandeln unbequeme oder tabuisierte Themen, die man in der Popmusik wahrlich nicht erwartet. Um Demenz geht es in "Der letzte Koffer". Es ist die Musik zu einem als Lehrmittel genutzten Video, das Schulz, angestoßen durch die Alzheimer-Erkrankung seines Vaters, gedreht hat.
In "Die dünne Wand" beschreibt der Musiker, wie plötzlich jemand in eine psychische Erkrankung gleiten kann. Schwermut kommt allerdings bei diesen Titeln nicht auf, dafür sorgen melodiöse und schwungvolle Arrangements. Schulz und Schrader produzieren an Keyboard und Akustikgitarre warmfarbige Dreiklänge aus Klavier- oder sphärischen Elektronik-Akkorden, Rhythmus und filigranem Fingerpicking.
Für Auflockerung sorgen zudem humoristische Einlagen, auch von Schrader solo. Purple Schulz liefert kabarettistische Pointen zum Zeitgeschehen oder gestaltet mit seinem quirligen Temperament Comedy-Kabinettstückchen wie einen Auftritt als gesellschaftlich geächteter Fleischesser oder als Clown im Kölner Karneval.
Besonders glücklich macht er das Publikum jedoch, als er dann in der zweiten Hälfte des Programms "Musik aus dem letzten Jahrhundert" spielt. Da klingen seine großen Erfolge aus den 1980er Jahren, der Soundtrack zur Jugend derer, die ihn nun als textfester Fan-Chor begleiten - "Nur mit dir", "Kleine Seen" oder "Verliebte Jungs". Der intensivste Moment ist die nur von Mundharmonika und Akustikgitarre begleitete Version von "Sehnsucht", das mit dem noch immer markigen Schrei "Ich will raus!!!" Gänsehaut verursacht.
Dazu hat Schulz noch eine Anekdote auf Lager: 1989 habe er das Lied in Ostberlin gesungen. "Zwei Wochen später begann die Ausreise über Ungarn, neun Wochen später fiel die Mauer, und ich warte immer noch auf das verdammte Bundesverdienstkreuz." Riesenapplaus zum Schluss für einen Künstler, der es geschafft hat, sich jenseits von Schubladen zu bewegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort