"Jetzt wird es wirklich ernst"

Trier · Im Foyer des Trierer Theaters haben sich angesichts der aktuellen Strukturdiskussion Erstaunen, Erschrecken, Skepsis und Resignation verbreitet, aber auch der Wille, das Haus mit neuen Ideen zu retten. Darüber geriet das 7. Sinfoniekonzert fast in den Hintergrund - zu Unrecht.

Trier. Etwas war anders in diesem 7. Sinfoniekonzert. Statt der üblichen Erwartungsspannung herrschten im Foyer Erstaunen und auch Orientierungslosigkeit. Vor den Unterschriftenlisten, die das Theater ausgelegt hatte, bildeten sich Schlangen. Schauspieler Klaus-Michael Nix verlas den "Appell pro Ensembletheater Trier" und ließ dabei keinen Zweifel: Aus Sicht des Theaters steht die immerhin 200 Jahre alte Einrichtung auf der Kippe. Mag sein, dass diese Einleitung auf das Orchester nicht gerade motivierend gewirkt hatte.
Ravels "Alborada del Gracioso", ein erotisches Spiel zwischen einer Schönen und einem Komödianten, lief jedenfalls ziemlich schwerfällig und ohne tänzerische Eleganz ab. Anders dann allerdings Rachmaninows 2. Klavierkonzert: Victor Puhl dirigierte einen strengen, fast spröden Rachmaninow. Solist Andrew von Oeyen, am Ende ausgiebig gefeiert, entfaltete enorme fingertechnische Brillanz, blieb in den Kantilenen freilich zurückhaltend, statt sie auszusingen. Aber genau da trafen sich Pianist und Dirigent. Beide setzten auf Struktur, beide vermieden forcierte Üppigkeit und distanzierten sich damit von filmmusikalischer Trivialität. Und zwischen Solist und Orchester stimmten die Abläufe. Vor allem das heikle Fugato im dritten Satz - einfach perfekt!
Und dann, klar und klangsinnlich zugleich, der zweite Teil des Konzerts. Victor Puhl und die Philharmoniker ließen in Albert Roussels Ballettsuite "Bacchus et Ariane" die Klangfarben leuchten, gaben dem Bacchanale die nötige Energie mit und steigerten die abschließende Krönung der Ariadne zum bacchantisch-rauschhaften Höhepunkt.
Und in Ravels "Rhapsodie Espagnole" dirigierte Victor Puhl entschieden gegen das Klischee vom weichen, konturenlosen Impressionismus an. Sein Ravel hatte Kraft, Kern und trotzdem Farbe. Und dabei blieb spürbar, mit welch leiser Ironie der Komponist zur spanischen Stilistik auch Distanz bezieht: Die vier Sätze sind nicht Tänze, sondern detailreiche Reflexionen über Tanz.
Dann war die Kunst vorbei und der kulturpolitische Alltag kehrte ein. "Jetzt wird es wirklich ernst", sagte Victor Puhl im Gespräch beim anschließenden Treffen im Foyer. Und ein alter, längst pensionierter Orchestermusiker erinnerte sich mit deutlichem Unbehagen an die Verkleinerung von Orchester, Ensemble und Bühnentechnik im Jahr 1968: "So wie jetzt hat das damals auch angefangen." Lösungen sind offenbar nirgends in Sicht. Auch wenn sich spontan ein Kreis formierte, um künftig Ideen auszutauschen - die allgemeine Ratlosigkeit blieb. mö

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