Jugend, Rausch und Nähe: Trierer macht Furore mit neuem Spielfilm

Trier · Kein Trier-Film, auch wenn man manche Drehorte auf Anhieb wiedererkennt. "Und am Ende sind alle allein" ist eine Reise durch die Nacht. Ein intensiver Spielfilm über Jugend, Einsamkeit, Rausch und Nähe.

 Ein seltsames Paar: Eva (Nadine Kiesewalter) und Jonas (Sancho Heimrath). Foto: Beduinen des Westens

Ein seltsames Paar: Eva (Nadine Kiesewalter) und Jonas (Sancho Heimrath). Foto: Beduinen des Westens

Foto: (g_kultur

Es sind die Jahre vor der großen Anpassung. Vor den Sachzwängen und Kompromissen. Vor der Karriereplanung und der Altersvorsorgeversicherung. Es ist die Zeit der Jugend.
Jugend? Für Ältere ein einziges Missverständnis. Denn es geht nicht um Rebellion und Protest. Auch nicht um Drogenexperimente, nicht um Kiffen und Komasaufen. Es geht nicht einmal um sexuelle Abenteuer und erotisches Ausprobieren. All das sind nur Ersatzhandlungen. Behelfsmäßige Mittel zum Zweck - und der heißt Nähe, Gemeinschaft, Intensität.

Aufwühlende Minuten
Aber die sind nicht so einfach zu erreichen, zumindest wenn man dem Trierer Regisseur und Drehbuchautor Kolja Malik glaubt. In seinem ersten Spielfilm begegnen sich fünf Mittzwanziger, finden ein paar Stunden zueinander "und am Ende sind alle allein". Dazwischen liegen die aufwühlendsten 90 Minuten, die das Kino seit langem zu bieten hatte. So nah, so intim trauen sich nur wenige Regisseure an ihre Darsteller heran. Malik zeigt Menschen, die - selbst wenn sie in Beziehungen stecken - einsam sind. Die sich wünschen, dass etwas geschieht, irgendwas, das ihr Leben verändert. Und weil sie wissen, dass nur die Nacht den Alltag zu besiegen vermag, trinken sie sich Mut an, kiffen sich locker, reden sich in Rage.

Diese innere Unruhe, das Getriebensein fängt Malik in schnellen Bildern und harten Schnitten ein. Wie ein Dokumentarfilmer, der an der Front im Einsatz ist und mit der Kamera überall dort draufhält, wo gerade was passiert. Da ist zum Beispiel Karl, "ein Sexualterrorist, der jedes soziale Gefüge sprengt", wie Darsteller Moritz Rehfeld seine Rolle beschreibt. Der coole Karl stößt auf die brave Marie (Emilia de Fries), die es leid ist, von ihrem Freund Marc (Robert Seiler) finanziell abhängig zu sein, und ein Sprungbrett in ein anderes Leben sucht. Marc wiederum durchlebt eine Sinnkrise Nietzsche'schen Ausmaßes und begegnet Eva (Nadine Kiesewalter) und Jonas (Sancho Heimrath), die einen ganz eigenen Film laufen haben. Und alle sind ständig in Bewegung und versuchen durch Wodka, Wein und Küsse einander näherzukommen. Der Rausch als Brandbeschleuniger entzündeter Seelen. So laufen die Akteure heiß, je weiter die Nacht voranschreitet.

Höhenflüge und Abstürze

Das wirkt brutal authentisch. Es fällt schwer zu glauben, dass während der Dreharbeiten kein Alkohol floss. Aber ist es auch repräsentativ? "Auf jeden Fall", betont Moritz Rehfeld, "die jungen Menschen erleben, wie Freundschaften aus Kindertagen kaputtgehen, wie langjährige Bindungen zerbrechen." In einer unheilen Welt sind Nähe und Zweisamkeit nur eine Sache von Momenten, bestenfalls Stunden. Von der gemeinsamen Nacht bleibt nichts als das Morgengrauen.
Wie Kolja Malik diese Höhenflüge und Abstürze in Szene setzt, ist ein kleines Wunder. Die Sicherheit, mit der er in jeder Situation den emotional richtigen Ton trifft - kein Kitsch, kein falsches Pathos -, würde man einem Neuling nie zutrauen. Das größere Wunder jedoch ist, dass er dieses Meisterwerk allein durch Crowdfunding - viele kleine Geldbeträge von Privatpersonen - für nur 3000 Euro produziert hat. "Aber warum hätte ich warten sollen, bis ich Filmförderung kriege und das Studium zu Ende ist!"
Malik hat nicht gewartet. Er hat drei Jahre lang für diesen Film gelebt und gearbeitet. Und alles richtig gemacht.

"Und am Ende sind alle allein" läuft am Mittwoch, 13. April (20 Uhr), Donnerstag, 14. April (20.15 Uhr) und Freitag, 15. April (22.15 Uhr) im Broadway-Kino in Trier.Extra

Jugend, Rausch und Nähe: Trierer macht Furore mit neuem Spielfilm
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Von der Mosel in die Welt. Seine Kindheit und Jugend verbrachte der 26-jährige Kolja Malik (TV-Foto: Frank Jöricke) in Trier. Später sammelte er als Regieassistent am Theater Aachen und Putzhilfe in einem Berliner Pornokino wertvolle Erfahrungen. Mit seiner Gesellschaft Beduinen des Westens produzierte Malik, der seit dem elften Lebensjahr Drehbücher schreibt, mehrere Kurzfilme. "Und am Ende sind alle allein" ist sein erster Spielfilm. fjö

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