Junge Liebe, blinder Hass

Trier · Ganz große Gefühle und tödliche Feindschaften: Birgit Scherzer inszeniert am Theater Trier Sergej Prokofjews Ballett "Romeo und Julia". Den Romeo tanzt René Klötzer, Julia ist Ayumi Noblet.

"Es war die Nachtigall und nicht die Lerche." Das berühmteste Liebespaar der Welt hat uns gelehrt, was zu tun ist, wenn man den Liebsten nicht gehen lassen will: einfach die Vögel vertauschen. Jetzt kommen Romeo und Julia an die Mosel. Birgit Scherzer hat Sergej Prokofjews gleichnamiges Ballett nach der Tragödie von William Shakespeare fürs Theater Trier inszeniert.
Der russische Komponist hatte die Musik zu dem Handlungsballett 1935 im Auftrag des Moskauer Bolschoi Theaters geschrieben. Uraufgeführt wurde es 1938 in Brünn. Seitdem haben die beiden unglücklich Liebenden tanzend die Welt erobert, mal in der historischen Fassung als Renaissance-Geschichte, mal in die Jetztzeit übersetzt.
Auch Birgit Scherzer hat sich für die Gegenwart entschieden. Die schmale blonde Frau mit dem klugen Gesicht wartet in einem Trierer Lokal auf die TV-Reporterin. Beim Thema Tanz kommt sie gleich ins Schwärmen: "Tanz, das ist für mich Sinnlichkeit, Berührung, Beseeltheit." Die international ausgewiesene Choreographin aus Berlin ist allerdings alles andere als eine Traumtänzerin. Choreographieren bedeutet für sie, die Musik zu "entziffern" und den entdeckten Sinngehalten in der Bewegung Gestalt und Form zu geben.Voller Poesie und Dramatik


Ihrem Tanztheater liegt ein sorgfältig durchdachtes Konzept zugrunde, das sie gemeinsam mit den zwölf Trierer Tänzern der Truppe mit Energie und enormem Einsatz realisiert. Dazu gehört für sie selbstverständlich, zunächst noch einmal Shakespeares Drama zu lesen. "Ungeheuer inspirierend" findet Birgit Scherzer Sprache und Bilder des 400 Jahre alten Textes. Wunderbar drückten sich seine Poesie wie seine Dramatik in der Musik Prokofjews aus, freut sie sich. Einmal mehr hat sie zudem erkannt: Was Menschen zu Shakespeares\' Zeiten bewegte - Liebe, Hass, Eifersucht und Falschheit - treibt sie heute genauso um.
Für die Choreographin war deshalb klar: Ihr Liebespaar und seine unversöhnlichen Familien gehören in die Gegenwart. Statt zweier verfeindeter Adelsfamilien aus Verona sind es bei Birgit Scherzer eine Asylantenfamilie sowie ein wohlhabender Autohändler und sein Umfeld, die sich bekriegen. Für die Theaterfrau gilt nun mal: "Wir haben die Aufgabe, die Welt vorzustellen und zu erklären."
Gerade der gesellschaftliche Umgang mit Asylanten erscheine ihr fragwürdig, sagt die politisch interessierte und sozial sensible Choreographin. Und wie ist es mit der Liebe, dem Dreh- und Angelpunkt der Geschichte? Birgit Scherzer ist sich sicher: "Die Liebe überwindet Grenzen." Ganz privat gefragt, was Liebe für sie bedeutet, denkt sie einen Augenblick nach und dann hat sie die Antwort parat: "Die Liebe ist jene stille Insel, die einem ganz allein gehört, und auf die man sich aus dem alltäglichen Sturm des Lebens zurückziehen kann."
Premiere am Theater Trier, Samstag, 18. Oktober, 19.30 Uhr. Karten gibt es online unter www.theater-trier.de und Theaterkasse 0651/7181818.

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