Kafkaeske Revue statt "Blauem Engel"

Heinrich Manns Roman "Professor Unrat" ist dank der Verfilmung als "Blauer Engel" berühmt geworden. Das Luxemburger Kapuziner-Theater bringt die Geschichte um einen Gymnasiallehrer, der sich in die Bar-Tänzerin Rosa verliebt, in einer Neubearbeitung von John von Düffel auf die Bühne.

Luxemburg. Die Sache fängt vielversprechend an: In Claude Mangens Inszenierung ist Professor Raat, als "Unrat" bespöttelt, ein Alt-68er mit Wollmützchen, Jeans und hohen Bildungs-Idealen. Seine Schüler: neureiche, rotzige Jung-Spießer, die des entrückten Lehrers Gedankenflüge über Schillers "Jungfrau von Orléans" mit Handy-Klingeltönen, durch die Gegend geschleuderten Stühlen und demonstrativem Desinteresse genüsslich torpedieren.

Das klingt spannend, bleibt aber, wie vieles an diesem Abend, Stückwerk. Das mag damit zusammenhängen, dass John von Düffels Bearbeitung dem Stück seine entscheidende Triebfeder entzieht: Heinrich Manns präzise Beschreibung der sozialen Zwänge, denen seine Protagonisten unterliegen. Zum Beispiel die enorme Macht des Lehrers über seine Schüler, deren Zukunft er bestimmt. Die existenzvernichtenden Moralvorschriften, die den Lehrer zu Fall bringen. Für all das finden Autor und Regisseur keine tragfähigen aktuellen Chiffren.

Stattdessen landet die Angelegenheit, und das durchaus hübsch, im Absurden. Rosa Fröhlich ist keine männermordende fesche Lola, sondern eine mit Flohmarkt-Klamotten Marke Cindy Lauper bestückte, naiv-romantische Chanteuse, die sich in erster Linie nach einer bürgerlichen Existenz sehnt. Der Machtkampf zwischen Unrat und den Schülern, des Professors Ausbrüche in fremde, wilde Welten produzieren kafkaeske Szenen. Jeanny Kratochwils unaufwändige Einheits-Szenerie bebildert sie mit einfachen Mitteln, erfordert bei den Ortswechseln aber auch einige Fantasie.

Musikalisch ein ziemliches Sammelsurium



Im "Blauen Engel" intoniert man Operetten-Melodien von Paul Abraham, Seemanns-Lieder aus schnulzigen Filmen, Friedrich Hollaenders "Wunderkind", aber auch schon mal Gitarren-Fetzen von "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt". Ein Sammelsurium halt, wie die ganze Produktion. Eine Bilder-Revue ohne roten Faden.

Irgendwann rastet der Professor aus und startet einen Rachefeldzug gegen die bürgerliche Gesellschaft, die ihn aus Job und Existenz rausgeworfen hat. Dabei setzt er Rosas Körper als Waffe zur Unterminierung der kollektiven Moral ein, woran er aber letztlich selbst zerbricht. Da könnte es wieder spannend werden, doch das Stück endet ziemlich abrupt, wo es gerade beginnen müsste.

An den exzellenten Schauspielern liegt es sicher nicht: Jean-Paul Maes ist in der Titelrolle ein zunächst verdruckster Sonderling, der aber aus den wachsenden Konflikten erstaunliche Kraft zieht. Sascha Leys Rosa rührt eher an, als dass sie jene magische, irritierende Anziehungskraft ausübt, die man mit der Rolle verbindet. Prägnant Marc Baum als Schüler Lohmann, einsatzfreudig auch der Rest der Schauspieler-Truppe.

Freundlicher Beifall.

Vorstellungen: 18., 24. und 25. November, 3., 4., 9. und 10. Dezember. Informationen: www.theatres.lu

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort