Kaleidoskop der Klangfarben

TRIER. Wer hätte das gedacht? Das Städtische Orchester spielt Reger und Hindemith, und alle gehen hin. Das 4. Sinfoniekonzert, eine Sternstunde im ausverkauften Theater.

 Umjubelter Dirigent: Siegfried Köhler.Foto: Josef Tietzen

Umjubelter Dirigent: Siegfried Köhler.Foto: Josef Tietzen

Konnte man wirklich seinen Ohren trauen? Ganz unerwartet klingen Max Regers Mozarts-Variationen nicht streng, dumpf und mit wilhelminischem Bombast, sondern ungemein farben- und stimmungsreich. Zuvor hatte die 14-jährige Ye Young Hwang Mozarts bekannte A-Dur-Variationen gespielt, das Thema des Regerschen Opus - sauber, mit Liebe zum Detail und mit sicherem Gespür für den apollinisch abgeklärten Tonfall dieser Musik.Ganz persönliche Annäherungen an Mozart

Und dann brillierte das Städtische Orchester. Dirigent Siegfried Köhler hebt Haupt- und Nebenstimmen sorgfältig voneinander ab, fordert dabei die Einzelspieler-Qualitäten der Musiker heraus und entfaltet ein vielfältiges Kaleidoskop von Klangfarben. Das ist bei diesem Opus eine Rarität. Orchester und Dirigent vollziehen die zahlreichen Tempoveränderungen zudem penibel und völlig organisch nach. Und dann entwickeln sich die Sätze zu Charakteren, dann schaut aus der vierten Variationen der bajuwarische Schalk heraus oder aus der dritten die Melancholie. Immer sind es ganz persönliche, sehnsüchtige Annäherungen an Mozart. Die Fuge musizierten sie so blitzblank, so detailgenau in der heiklen Verzahnung der Stimmen, dass alle akademische Tristesse abfiel. Und am Schluss breitete Siegfried Köhler die Arme zu einer großen, einladenden Geste aus, und das Fortissimo im Orchester klang unforciert, hell, weit und frei. Nach der Pause Hindemiths Sinfonie "Mathis der Mahler". Siegfried Köhler nimmt den einleitenden "Engelsgesang" energisch, beinahe forsch. Vielleicht fehlte da ein Stück mystischer Versenkung. Aber wenn Hindemith im Mittelteil die beiden Hauptthemen kombiniert, dann gelingt Köhler, gelingt dem Orchester das Kunststück, den Satz transparent und zugleich warm und beweglich zu halten. Der letzte Satz "Die Versuchung des heiligen Antonius", ein Glanzstück. Die Streicher musizieren das schwierige Einleitungs-Rezitativ perfekt und das Hauptthema mit geradezu diabolischer Eleganz. Die Holzbläser, allen voran die erste Flöte, setzen polyphone Glanzlichter auf. Trompeten, Posaunen und Tuba geben starke kultivierte Akzente. Wieder leuchtete der Orchesterklang.Eine Palette warmer, natürlicher Klänge

Das war nicht das triste Graubraun, das sich beim späteren Hindemith so rasch einstellt, sondern eine Palette von warmen, natürlichen, erdnahen Farben. Helle Begeisterung im Zuschauerraum, Jubel vor allem für den fast 82-jährigen Köhler. Die Orchestermusiker pflegen die Bühne nach Konzerten rasch zu verlassen. Diesmal blieben sie in kleinen Gruppen stehen und unterhielten sich - sicherlich über das Konzert und ihre Arbeit mit dem Gastdirigenten. Die Einleitung? Haken wir die "Faust-Ouvertüre" des jungen Richard Wagner rasch ab. Da haperte es im Orchester mit der Intonation und auch mit der Präzision. Am Ende blieb der Eindruck, musikalisch sei im Werk nicht allzu viel passiert. Von Wagner gibt es jedoch bessere Orchesterstücke. Peter Larsen hatte zu Beginn an den Holocaust-Gedenktag erinnert und auf die Ausstellung "Entartete Musik" hingewiesen. Sie ist noch bis zum 13. Februar im oberen Foyer des Theaters zu sehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort