Kammerkonzert der Stuttgarter Solisten: Ein einziger, großer Gesang

Trier · Die Stuttgarter Solisten sind bei den Festlichen Musiktagen seit den 1970er Jahren immer wieder gern gesehene Gäste in Trier gewesen. Auch jetzt lösten beim ersten Kammerkonzert der Kammermusikalischen Vereinigung in dieser Saison helle Begeisterung aus.

Trier. Das Streichsextett mit seiner Verbindung aus Subtilität und orchestraler Fülle - welche Kostbarkeit! Zumal, wenn die Stuttgarter Solisten am Werk sind. Sie strahlen im ersten Kammerkonzert der Saison die Sicherheit, die Übersicht und die Sorgfalt erfahrener Musiker aus - emotionsstark und weitab von blasser Routine.
Bachs berühmtes Ricercar für sechs Stimmen - die Stuttgarter lassen sich im Trierer Kurfürstlichen Palais auf ein Musizieren, das neuerdings als "historisch informiert" gilt, gar nicht erst ein. Bei ihnen dominieren die große Geste, der weite Atem. Und doch wird dieses Werk nicht zur Klangflächenkomposition. Im großen Zug dieser Musik geben sie den Details Profil, zielen mit untrüglicher Sicherheit auf Schwerpunkte. Und da zeigt sich: Dieses Werk wendet sich in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit. Hinter dem "stile antico", den Bach neu formuliert, stehen nicht Palestrina oder Frescobaldi, sondern Beethoven und Brahms.
Da klingt Schönbergs "Verklärte Nacht" wie eine kompromisslose Weiterentwicklung. Es gehört ein großes Maß an Erfahrung dazu, dieses Werk nicht nur spätromantisch klangsatt und entsprechend pauschal zu musizieren, sondern die Details herauszuarbeiten, wichtige Stimmen hervorzuheben. Komposition und Interpretation bestechen nicht durch Üppigkeit à la Richard Strauss, sondern durch echten Reichtum im Miteinander der Stimmen, in den Klangfarben und nicht zuletzt im epischen Zug - ein einziger, großer Gesang mit einem versöhnenden Ende.
Ein Wunder an Stimmendichte



Und das 2. Streichsextett, op. 36, von Johannes Brahms: Vielleicht haben die Stuttgarter im Kopfsatz zu ausgeprägt auf orchestrale Fülle gesetzt und nicht auf die Detailabstufungen, vielleicht blieb vereinzelt die Intonation im Ungefähren. Aber sie musizieren sich immer tiefer in dieses großartige, subtile und ganz und gar ungeschönte Werk hinein. Der dritte Abschnitt im langsamen Satz endlich - ein Wunder an Stimmendichte, an Organik, ein herrlich herausgespieltes feines Klanggewebe, sinnlich und doch mit einem melancholischen Beiklang. Schönheit, die weiß, dass sie sterben wird. Am Ende: 230 tief beeindruckte Besucher. mö

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