Kampf und Sieg um Mahler

Trier · Gustav Mahlers 9. Sinfonie gehört zum Schwierigsten in der Orchesterliteratur. Die verstärkten Trie rer Philharmoniker unter Victor Puhl nahmen die Hürde im 3. Sinfoniekonzert zwar mit Anstrengung, am Ende aber bravourös.

Trier. Es ging sichtlich ums Ganze. Konzertmeister Petar Entchev trippelte nervös mit den Füßen, und Victor Puhl schritt zum Dirigierpodium mit Gestik und Miene von äußerster Konzentration. Eine bange Spannung lag über den ersten Takten. Bis sich das Motivpuzzle aus Harfe, Hörnern und Streicher-Unterbau zusammenfügte zum ersten seufzerähnlichen und selber noch fragmentarischen Thema.
Es bedarf einiger Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten, um mit einer Festbesetzung von 48 Personen und zahlreichen Aushilfen Gustav Mahlers letzte Sinfonie zu realisieren. Und es blieb im 3. Sinfoniekonzert über die gesamte Distanz spürbar, welche Konzentration und Energie nötig waren, um diesen musikalischen Zyklopen nicht nur angemessen zum Klingen zu bringen, sondern etwas von der Vielschichtigkeit zu vermitteln, die Mahler mitkomponiert hat.
Ohne Missgriffe


Aber die großzügig verstärkten Trierer Philharmoniker realisierten die Partitur im Trierer Theater ohne Missgriffe. Und Victor Puhl steuerte die Aufführung durch alle Schwierigkeiten und Anspannungen hindurch zum guten Ende. Generalmusikdirektor und Orchester arbeiteten heraus, was in dieser Sinfonie so bedrängend existenziell, was ihre ganz persönliche Dimension ist, jenseits neutraler Klassizität.
Da erhält der leise, zögernde, ja stockende Beginn genauso klare Gestalt wie die wütenden Höhepunkte im Kopfsatz. Da klingt im zweiten Thema der Rondo-Burleske - Satz drei - eine elegant-einladende Brillanz mit. Und all die Elemente, die aus Volks- und Popularmusik in die Hochkultur der Mahlerschen Sinfonik hineinreichen, sie sind präsent. Im ländlernahen zweiten Satz (Mahler: "etwas täppisch und sehr derb") entfalten die Bläser genau die drastische, bittere Provinzialität, die jede romantische Verklärung des Landlebens ad absurdum führt.
Verspäteter Bruckner?


Klang das recht rasch genommene und doch wuchtig und volltönend musizierte Finale vielleicht zu sehr nach verspätetem Bruckner? Die Streicher beherrschten jedenfalls den großen Ton, ohne den der Beginn nichtssagend bleibt. Dann zielten Puhl und sein Orchester über alle harschen und zarten Momente hinweg auf den Höhepunkt gegen Ende, der so erschreckend unvermittelt ins Leere fällt. Und der in sich versinkende Schluss zerfasert nicht in unzusammenhängende Klänge, sondern entwickelt eine strenge Logik des Zerfalls bis zum letzten Takt.
Das Publikum im voll besetzten Theater war tief beeindruckt. Victor Puhl ging durch die Reihen des Orchesters und dankte jedem persönlich. Eine gewaltige Anstrengung, ein bemerkenswerter, fast spektakulärer Erfolg.
Zu Beginn stand die "un answered question" von Charles Ives auf dem Programm, eine Komposition, die in ihrer Verbindung von Weltweisem und Existenziellem Mahler nahesteht. Im Konzert erklang sie sauber und mit gehöriger Deutlichkeit, war aber doch nur ein Vorspiel.

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