Kaninchendraht aus Kohlenstoff-Atomen

Trier · Hauchdünne Schichten aus Kohlenstoff-Atomen, um die es spätestens seit dem Physik-Nobelpreis 2010 einen riesigen Hype in der Materialforschung gibt: Diese Woche stellt die Serie des Deutschlandfunks in Kooperation mit dem Trierischen Volksfreund das Molekül Graphen vor.

 Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop. Foto: II. Physikalisches Institut B, RWTH Aachen

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop. Foto: II. Physikalisches Institut B, RWTH Aachen

Trier. Man nehme ein Stück Graphit wie in jeder Bleistiftmine sowie gewöhnlichen Tesa-Film. Man klebe das Band auf den Kohlenstoff-Kristall und ziehe es wieder ab. Schließlich drücke man den Streifen mit dem nun anhaftenden Graphitstaub immer wieder auf eine glatte Oberfläche. Voilà! So einfach ist das Rezept, mit dem man zu Graphen kommt - einem Molekül, um das es derzeit einen Riesenrummel gibt. Der Hype wurde nicht zuletzt dadurch befeuert, dass die Erfinder des (in Wahrheit komplizierteren) Tesafilm-Tricks im vorigen Jahr den Physik-Nobelpreis einheimsten: die gebürtigen Russen Andre Geim und Konstantin Novoselov, beide heute Professoren an der Universität Manchester in England.In etlichen Forschungslabors wird inzwischen mit Graphen experimentiert, das aus reinem Kohlenstoff besteht. Das Material ist hauchfein und dennoch reißfester als Stahl, dicht gewebt und gleichwohl durchsichtig.UN-Jahr der Chemie: Das Molekül der Woche

"Das Besondere an Graphen ist, dass es sich um eine atomar dünne Schicht Kohlenstoff handelt", präzisiert Thomas Michely, Professor für Experimentalphysik an der Universität Köln. Die könne man sich am besten wie Kaninchendraht mit seinen hexagonalen Waben vorstellen: "In jeder Ecke sitzt ein Kohlenstoff-Atom, das drei Ärmchen hat und sich mit seinen Nachbarn verbindet."In einem Stück Graphit von der Dicke eines Millimeters sind drei Millionen Lagen Graphen übereinander gestapelt. Das Kunststück war, sie als Einzellagen sauber voneinander zu trennen.Doch nicht allein dafür kamen Greim und Novoselov zu Nobel-Ehren. Das Duo demonstrierte auch, dass Graphen erstaunliche Eigenschaften als Stromleiter besitzt. Es lässt sich praktisch fehlerfrei herstellen. "Das Material ist so perfekt, dass die Elektronen salopp gesagt unglaublich weit fliegen, bevor sie gestreut werden", begeistert sich Michely. Diese hohe Mobilität sei ein Gütemerkmal für Materialien in der Halbleiter-Elektronik. In die Richtung geht es nun auch mit den denkbar dünnen Kristallfilmen. Laut dem Kölner Physiker entwickelt IBM momentan Höchstfrequenz-Transistoren für Computer-Chips auf Basis von Graphen, die schneller seien als heutige aus Silizium. Vielleicht kommen Computer-Chips also bald nicht mehr aus Silicon, sondern aus Graphene Valley.Die Beiträge dieser Serie laufen im Deutschlandfunk immer mittwochs um 16.35 Uhr in der Sendung "Forschung aktuell". In der Region empfangen Sie den Deutschlandfunk auf UKW 95,4 und 104,6. Weitere Infos unter www.dradio.de/jahrderchemie

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