Kaputt und zugedröhnt

Trier · Mit "Berlin Calling" hat am Mittwochabend die nächste Studioproduktion des Trierer Theaters Premiere gefeiert. Eindringlich, schnell und spannend überzeugte die Inszenierung um einen im Kampf gegen Drogen scheiternden Kult-DJ. Das Publikum honorierte nicht nur die Leistung, sondern auch die Aufnahme solch eines unverstaubten Stoffes.

Trier. "Berlin Calling", das sind schweißtreibende 90 Minuten Vollgas. Vor allem für den Hauptdarsteller Matthias Stockinger in der Rolle des mit Drogen vollgepumpten Ickarus ein emotionaler und körperlicher Kraftakt. Pausenlos sind seine Glieder in hektischer Bewegung, sein Körper bebt, die Gesichtsmuskeln krampfen. Sein fatalistisches Spiel bis zum Drogentod ist überzeugend, nur seine persönliche Ausstrahlung ist softer, als man es von einer Figur wie DJ Ickarus, der im gleichnamigen Film von Kult-DJ Paul Kalkbrenner gespielt wird, erwartet.
Filmszenen werden integriert


Gekonnt macht sich die Trierer Inszenierung von Regisseurin Britta Benedetti das filmische Mittel zunutze, um eigene Einspieler mit Szenen außerhalb der Bühne in die Kulisse zu projizieren. Durch geschickte Umsetzung werden auch die Eindrücke aus der halluzinierenden Sinneswelt erlebbar. Die Stimmen, die Ickarus hört, sind dreifach verfremdet. Durch ein Mikro verändert, durch eine transparente Wand auf räumliche Distanz gehalten und in den Klangsumpf von Elektromusik gesprochen.
Barbara Ullmann brilliert in der Rolle der Ärztin in der psychiatrischen Klinik, in der Ickarus vergeblich versucht, sein Leben wieder in den Griff zu kriegen. Ihr gelingt es, bei zurückhaltender Spielweise Tiefe in die Figur zu legen. Diese Vielschichtigkeit fehlt der weiblichen Hauptrolle Mathilde, gespielt von Alina Wolff, die als Ickarus\' Freundin und Managerin mit ihrer überaus prononcierten Aussprache aus der Tanzclub-Szene herausfällt und allzu mütterlich korrekt an Glaubwürdigkeit einbüßt.
Die Nebenrollen sind klasse besetzt. Michael Ophelders ist authentisch als besorgter Vater, der verankert im bürgerlich-liberalen Milieu im Konflikt mit seinem Sohn steht.
Spiel geht unter die Haut


Alina Wolff ist sexy als Gogogirl und spielt packend durchgeknallt, überdreht und abgründig als Junkie Jennifer. Daniel Kröhnert bekam für seine ergreifende bis komische Darstellung des psychotischen Patienten Pete verdienten Extraapplaus. Ebenso wie Tim Olrik Stöneberg, der großartig den extrem lässigen Krankenpfleger und den harten Drogendealer verkörpert.
Der starke Schluss, in dem Stockingers Spiel ungebremst unter die Haut geht, setzt das Ausrufezeichen hinter das Prädikat "Sehenswert". Das Publikum freut sich über so einen aktuellen Stoff aus der jungen Szene und bedankte sich mit langanhaltendem Applaus, anerkennenden Pfiffen und Rufen. sys

Weitere Aufführungen am 30. April, 2., 3., 17., 18., 19., 30. Mai, 2. Juni. Karten gibt es an der Theaterkasse, Telefon 0651/718181, und auf www.theater-trier.de

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