Marx Karl-Marx-Statue in Trier: Geschenk aus China sorgt weiter für Zoff

Trier · Bei einer Diskussion wird heftige Kritik an der Marx-Statue in Trier geübt. Opfervertreter warnen vor einer Verherrlichung des Sozialismus.

Marx: Karl-Marx-Statue in Trier: Geschenk aus China sorgt weiter für Zoff
Foto: dpa/Harald Tittel

Maximilian Meurer ist aufgebracht. Mit der Marx-Statue, die am kommenden Freitag in Trier aufgestellt werden soll, werde der Philosoph verherrlicht und seine Lehre verharmlost, ereifert sich der 55-Jährige aus Wittlich. „Trier wird zum Wallfahrtsort von Sozialisten“, befürchtet Meurer. Der vormalige Linken-Politiker aus Leipzig ist Vertreter ehemaliger politischer Häftlinge und Verfolgter des Kommunismus. Und er ist Mitglied in der AfD.

Diese ist an diesem Abend in der Europäischen Kunstakademie zahlenmäßig gut vertreten. Die beiden Landtagsabgeordneten Michael Frisch und Jens Ahnemüller gehören ebenso zu den rund 100 Zuhörern, die über die von China geschenkte 4,40 Meter hohe Statue  – überwiegend negativ – reden wollen. Frisch nennt das Marx-Gedenken anlässlich dessen 200. Geburtstags „eine Mischung aus Kitsch und Kommerz“.

Veranstaltet wird die Diskussion unter dem Titel „Ein vergiftetes Geschenk?“ von der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Sie erinnert an das Schicksal politisch Gefangener in der ehemaligen DDR. Die Kunstakademie ist an diesem Abend nur Gastgeber. Sie wollte sich nicht an der Organisation der Veranstaltung beteiligen, sagt Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte. Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Akademie Zuschüsse der Stadt Trier bekommt und diese an diesem Abend „auf der Anklagebank“ sitzt, wie Triers Baudezernent Andreas Ludwig am Ende der knapp zweistündigen Diskussion zerknirscht eingestehen muss.

Nicht nur unter den Zuhörern ist die Stimmung aufgeheizt – zumal Diskussionsleiter Helmuth Frauendorfer, stellvertretender Direktor der Gedenkstätte, nur Marx-kritische Fragesteller zu Wort kommen lässt. Ein Mann spricht von den „roten Verbrechern“, die mit der Statue verherrlicht werden und ruft: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“ Eine Frau nennt das Denkmal „eine Ohrfeige“ für alle Menschen, die in sozialistischen Staaten lebten.

Auch auf dem bis auf Ludwig nur mit Gegnern der Statue besetzten Podium muss sich Triers Baudezernent gegen heftige Vorwürfe wehren. Am deutlichsten teilt der brandenburgische CDU-Landtagsabgeordnete Dieter Dombrowski aus. Er ist Bundesvorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft und wirft Trier vor, mit der Statue eine Person zu verherrlichen, die judenfeindlich gewesen sei. Marx habe den totalitären Staat vorbereitet, eine Anleitung für sozialistische Diktaturen verfasst – Diktaturen, die Millionen von Menschleben gefordert hätten. „Und dafür errichten Sie ein Standbild in Trier. Dafür schäme ich mich“, sagt Dombrowski an Ludwig adressiert und schlägt vor, Trier in Karl-Marx-Stadt umzubenennen.

Das „sechs Meter hohe Monstrum“ sei kein Denkmal und kein Kunstwerk, sondern ein Propagandainstrument Chinas, sagt die chinesische Autorin Tienchi Martin-Liao. „Die Chinesen verschenken nicht einfach so irgendwas.“ Auch sie erinnert an die vielen Opfer, die es im Namen von Marx gegeben habe. „Überall hat man Marx entsorgt, nur hier wird er neu aufgestellt.“ Darüber seien zahlreiche Opfer des Kommunismus empört, sagt Gedenkenstätten-Leiter Knabe. Er schlägt vor, als Symbol die Statue nicht aufzustellen, sondern quer zu legen und mit einem Denkmal an die Opfer sozialistischer Diktaturen zu erinnern.

Ein quer gelegter Marx kommt für Ludwig nicht infrage. Er sagt aber zu, dass der Stadtrat über eine Gedenktafel für die Opfer entscheiden werde. Knabe warnt den Baudezernenten davor, in Eigenregie einen Text dafür zu verfassen. Das könnte die Kritik an der Statue und der Marx-Verherrlichung noch verschärfen. Knabe schlägt daher vor, dass die Gedenkstätte einen Vorschlag für eine solche Tafel mache.

Ludwig kontert die zum Teil massive Kritik souverän. Immer wieder verweist er darauf, dass das 2,4 Tonnen schwere Marx-Bildnis ein Geschenk Chinas gewesen sei. Über die Dimension des Denkmals könne man ja streiten, sagt Ludwig. Er sei selbst über dessen Größe „erschrocken“ gewesen. Es habe auch im Stadtrat heftige Diskussionen über die Statue gegeben, schließlich habe das Gremium aber einen Grundsatzbeschluss gefasst, an den er sich nun halte. „Wir wollen den Kommunismus nicht glorifizieren, wir verharmlosen ihn nicht“, verteidigt der CDU-Politiker die Entscheidung.

CDU-Landeschefin Julia Klöckner sieht anders als ihr Parteifreund Ludwig die Statue kritischer. „Ich glaube nicht, dass wir sie gebraucht hätten, denn China denkt sich gewiss etwas dabei“, sagt die Politikerin in einer Videobotschaft. Marx sei zwar „ein besonderer Sohn von Rheinland-Pfalz“ und eine Persönlichkeit, derer man angesichts seines bevorstehenden 200. Geburtstags gedenken solle. Doch Gedenken dürfe nicht zu Verklärung werden. Für viele Opfer seien die Folgen der Lehren von Marx lebensbedrohlich gewesen. Klöckner erinnert daran, dass in China Menschenrechtsverletzungen zum Alltag gehörten und es dort auch keine Meinungs- und Pressefreiheit gebe.

Ludwig erinnert an die rund 50 000 Chinesen, die die Marx-Geburtsstadt Trier jedes Jahr besuchten. Das sei auch ein Wirtschaftsfaktor. Er betrachte die geschenkte Statue als einen Beitrag dazu, um auf China zuzugehen – das Denkmal quasi als Symbol für den Wandel durch Annäherung an das Reich der Mitte.