Karl Marx zwischen Gartenzwerg und Hummelfigur

Trier · Zum Jubiläum hat der Konzeptkünstler Ottmar Hörl 500 Karl-Marx-Figuren in Trier installiert. Was vermitteln und geistige Auseinandersetzung anregen soll, ist allerdings eher Bespaßung und Banalisierung.

Trier. An Kunst habe er "null Interesse", sagt Ottmar Hörl. "Ich will zum Nachdenken anregen."
Zu seiner aktuellen Trierer Installation "Karl Marx" will der Künstler bei der finalen Pressekonferenz, zu der lediglich eine Journalistin erschienen ist, auch nichts sagen. Die müsse für sich selbst sprechen.
Hörl: Trier - eine kulturlose Stadt


Dafür legt der Präsident der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg im halbstündigen Monolog ausführlich sein Weltbild dar, ein bunter Mix nach Talkshow-Art. Man erfährt, dass die Welt kreative Menschen braucht ( stimmt), für Verwaltungen aber dumme reichen (stimmt nicht), dass Einser-Abiturienten meistens stumpfsinnige Streber sind (stimmt das?) und Künstler meist schlechte Geschäftsleute (könnte stimmen).
Norm in der Alltagskultur


Und was den lokalen Bezug angeht - so ist Trier nach Hörl eine eher kulturlose Stadt, in der man keinen Respekt vor der Kunst hat. Was nach seiner Ansicht die ständig verrückten oder umgeworfenen Karl-Marx-Figuren belegen. Die stehen derweil, ihren Auftrag als Alltags- und Massenkultur wahrnehmend, vor und hinter der Porta Nigra und lassen sich fotografieren.
Seit 1998 beschäftigt sich der 1950 geborene Künstler schwerpunktmäßig mit serieller Kunst im öffentlichen Raum. In seinen Installationen reiht und wiederholt er immer denselben Gegenstand und ordnet ihn zum Bild. Hörl setzt sich dabei mit der Ästhetik der Alltagskultur auseinander, einer Kultur, in der Norm und genormte Standards bildbestimmend sind. Das tut er auch in Trier. Dort hat er 500 einen Meter hohe Karl-Marx-Figuren, einen Verschnitt aus Gartenzwerg und Hummelfigur, postiert. In den über mehrere Plätze verstreuten, wüst durcheinanderstehenden Figuren ist allerdings weder Bild noch Bildregel zu erkennen. Hörls Werk, das so politisch brisante, eindrucksvolle Projekte wie die Gartenzwerge mit Hitlergruß in Straubing einschließt, ist inzwischen selbst zum genormten Produktionsbetrieb geworden.

Immer das gleiche Muster


Seine Installationen (einschließlich der Trierer) folgen alle demselben Muster: Schauplatz ist eine Stadt mit einem herausragenden Ereignis (in Zweibrücken die Gartenschau, in Athen die Olympiade) oder dem Jubiläum einer herausragenden Persönlichkeit (Karl Marx in Trier, Martin Luther in Wittenberg). Anschließend wird der Jubilar oder ein sinnträchtiges Symbol in Kunststoff geformt und viele Hundert oder Tausend Mal vervielfältigt. Das Ganze in einer Ästhetik, die dem Kunstgewerbe aus Souvenirläden und der Massenproduktion jenes Landes entspricht, aus der die meisten Karl-Marx-Touristen kommen.
An der Trierer Karl-Marx-Installation mögen Passanten, Kinder und Touristen ihren Spaß und zudem ein attraktives Fotomotiv haben. Ob sie eine angemessene Form ist, an einen so bedeutenden Mann wie den tiefgründigen Philosophen zu erinnern, darf bezweifelt werden. Ebenso, dass sie nachhaltige Denkanstöße liefert. Dazu reichen vier Rottöne kaum. Statt nachdenklich zu machen, banalisiert die Hörl\'sche Optik, was eigentlich Ereignis ist.
Eva-Maria Reuther

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