katharina staunt

Ich frage Menschen oft: "Und, hattest du ein schönes Wochenende?" Und ich habe darauf schon viele Antworten bekommen. Aber noch nie hat mir jemand gesagt: "Ja, es war super, denn ich habe Wasser getreten!" Aber irgendwer muss das Wasser doch treten! Schließlich sind sie überall: diese Wassertretbecken.

Das vielleicht größte Mysterium Deutschlands. Wer hat sie erbaut? Für wen? Warum? Welchem kulturellen, rituellen oder hormonellen Zweck könnten diese archaisch anmutenden Becken dienen? Und warum sehen sie fast immer aus wie neu, obwohl sie so einsam, deplatziert und sinnlos wirken wie eine Fritte im ewigen Eis, wie ein Zoo auf dem Mars, wie eine Strandbar im schottischen Hochmoor. So ganz ohne Menschen, die Wasser treten. Das Einzige, was sich zwischen treibenden Blättern auf ihrer Oberfläche spiegelt, ist das Staunen meines niederländischen Begleiters, der es sehr drollig findet, dass deutsche Menschen so was brauchen. Dabei ist das nicht drollig. Wassertreten eine ernste Angelegenheit. In Deutschland ist alles eine ernste Angelegenheit. Wir kochen besser spanisch als jeder Spanier. Und wir waten professioneller durchs Wasser als jeder Storch. Dafür gibt es sogar Bedienungsanleitungen: Bei jedem Schritt wird ein Bein komplett aus dem Wasser gezogen, während sich die Fußspitze nach unten beugt. Unterdessen sollten wir eine intensive Kälte spüren. Wenn die zu schlimm wird, muss man wieder raus. Rein, raus, rein, raus. Dann das Wasser abstreifen. Naturtrocknen. Fertig. Wer großes Glück hat, findet im einsamen Wald ein Wassertretbecken, das auch ein Armbadebecken hat. Das funktioniert dann so ähnlich. Nur mit dem Arm. Weil mein Freund mich bei jedem Becken (wer wandert, kann ihnen nicht entkommen) aufs Neue gelöchert hat, was das Ganze denn soll, habe ich gegoogelt und weiß jetzt, warum Wassertreten kein Partygespräch ist: Es macht nämlich nicht nur munter und hart wie Kruppstahl. Es dient auch der Behandlung von Krampfadern. Ob Deutsche mehr davon haben als andere? Und warum tun sie dann nix dagegen, wo es doch überall die schicken Becken gibt?!Katharina Hammermann Deutschland steckt voller Rätsel. Meist merkt man es gar nicht, weil man es nicht anders kennt. Man zapft blasenfrei, ohne sich zu fragen, was das soll. Man geht zum Arzt und wartet brav, obwohl man doch einen Termin hatte. Und wer kauft nur all diese hässlichen Kittelschürzen? Katharina staunt. Die neue Kolumne unserer Chefreporterin Katharina Hammermann.

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