Kein Fall für Klangästheten

Trier · Prokofjews 2. Klavierkonzert und die Vierte von Sibelius - ausgeprägter können Gegensätze in einem Programm kaum sein. Aber das 5. Sinfoniekonzert im Trierer Theater behielt seine Konturen - durch die Kompetenz von Solist, Dirigent und Orchester.

(mö) Verwundert es, wenn sich ein junger Pianist bei Prokofjews teuflisch schwerem Klavierkonzert Nr. 2 auf die Technik konzentrieren muss? Erstaunt es, wenn sich bei Alexei Petrov im 5. Trierer Sinfoniekonzert in die gigantische Kopfsatz-Kadenz leise Unklarheiten einschleichen, und die pianistische Souveränität ein Stück weit verloren geht? Solche Momente sind selten genug. Sobald sich Petrov vom Druck der Klaviertechnik lösen kann und frei wird zum Musizieren, klingt eine feinfühlige Brillanz mit, entwickeln sich Klangfarben und Ausdruck zu eindringlicher Spannweite. Der russische Pianist kultiviert zu Beginn einen hellen, fast zerbrechlichen Ton, hält in den durchlaufenden Sechzehnteln des Scherzos die Spannung perfekt, lässt im Intermezzo die Groteske mitklingen. Und entfaltet schließlich in der großen zweiten Kadenz des Finales alle Nuancen seiner großen pianistischen Kunst. Und Dirigent Valtteri Rauhalammi arbeitet mit den Philharmonikern die Charaktere dieses Konzerts deutlich heraus - musikalische Erzählung, Ballett, Intimität und auftrumpfende Sinfonik.

Pointierte Absage

Dann, wie aus einer anderen Welt, die 4. Sinfonie von Jean Sibelius. Eine pointierte Absage an die klingende Überredungskunst der mitteleuropäischen Musik um 1910 - an Strauss, Schreker, Korngold, vielleicht sogar Reger. Die Trierer Philharmoniker und ihr Dirigent suchten nicht den Klangglanz, dem sich diese Musik gezielt verweigert, sondern ließen sich auf den Tonfall des Werks ein. Immer wieder, sogar im vergleichsweise unbeschwerten Finale, stockt diese Musik, scheint sich zu verstecken und zu verweigern. Jörg Sonnenscheins gezielt rau klingendes Cellosolo und die gestopften Hörner wehren alle romantischen Assoziationen ab. Ein Fall für Klangästheten ist diese Sinfonie sicherlich nicht. Aber unter Rauhalammi und seinen Musikern klingt ihr spröder Tonfall persönlich und authentisch.

Zu Beginn stand wie ein verbindendes Motto Mozarts festlich-neutrale "Titus"-Ouvertüre. Rauhalammi machte aus ihr ein echtes Stück Theatermusik. Wenn unter seiner Leitung die Streicher nach den einleitenden Fanfaren pianissimo einsetzen, anschwellen und die Bläser in ihre Bewegung mitnehmen, dann klingt es, als würde sich der Vorhang öffnen. Bühne frei! Am Ende Jubel im fast voll besetzten Theater.

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