Kein Ton zu viel, keiner zu wenig

Esch · Sind die Worte schuld, die deutsche Sprache - oder ist es der Leser? "London Grammar in der Rockhal - ein kurzes Vergnügen". Das könnte man in einer zumindest semantisch gerechten Welt über diesen Artikel schreiben.

 Hannah Reid, Sängerin von London Grammar, beim Auftritt in der Rockhal Esch. TV-Foto: Andreas Feichtner

Hannah Reid, Sängerin von London Grammar, beim Auftritt in der Rockhal Esch. TV-Foto: Andreas Feichtner

Stimmt schließlich. Aber es klingt brutal falsch. So sarkastisch, weil in den Lücken zwischen den Worten mitschwingt: Da hat eine Band nicht abgeliefert. Vergnügen? Pah! 45 Minuten plus acht Minuten Nachspielzeit, eine Zugabe. Beim Fußball mag danach eine zweite Halbzeit kommen, die für den Erkenntnisgewinn sinnvoll sein kann.
Bei London Grammar ist das aber gar nicht nötig. Da ist zu diesem Zeitpunkt alles gesagt und besungen, alles ins perfekte Licht gerückt. Die Quantität mag überschaubar sein, das Euro-pro-Minute-Verhältnis dürftig. Aber das englische Indie-Trio um die in-trovertierte Hannah Reid sieht sich auch eher nicht als musikalisches Pendant zu Aldi.
London Grammar ist in diesem Jahr im Indie-Bereich der große Aufsteiger. Beim ersten Auftritt in Luxemburg ist der große Rockhal-Saal gut gefüllt - nicht schlecht für eine Band, die vor einem Jahr nur Insidern ein Begriff war und die nun auch nicht den einen, großen Sommerhit hatte. Dass das Programm nicht abendfüllend ist, liegt daran, dass die Londoner erst ein Album veröffentlicht haben. Was die Band ausmacht? Reid, Keyboarder Dot Major (er wechselt gelegentlich ans Schlagzeug) und Gitarrist Dan Rothman können die Stimmung im Saal in Minutenschnelle variieren. Vom andächtigen Zuhören beim sanften Opener "Hey Now", zu Gänsehautmomenten in "Wasting My Young Years" bis zum elektronischen, tanzbaren Endteil von "Flickers", immer wieder unterstützt von einem Streicherinnen-Quintett. Das ist alles halbwegs massentauglich, aber weit weg von Stadionbelustigung und albernen Gimmicks. Kein Ton zuviel, keiner zu wenig. Kurz: ein Vergnügen.
Andreas FeichtnerExtra

Der Trip nach Luxemburg lohnt sich in den nächsten Wochen - hier einige Konzerttipps. Deutsche Bands, die auf Englisch singen und auch im Ausland Erfolg haben? Da gibt\\'s nicht viele. The Notwist (23. Oktober, Rockhal) aus dem bayerischen Weilheim steht seit vielen Jahren für das Beste, was das Land an hipster-befreitem Indie/Elektro zu bieten hat. Bereits ausverkauft sind die Shows von Kraftklub (31. Oktober) und Clueso (2. November, beide Atelier, Luxemburg-Stadt). Erfahrungsgemäß großartig dürfte die Rückkehr des britischen Duos Lamb (Trip Hop, Elektronik) ins Atelier werden (11. November). Sonic-Youth-Legende Thurston Moore spielt am 5. November in der Rockhal. Geschmackvoll ausgewählt ist auch das Line-Up beim Songwriter-Festival in Dudelange: Am 5. November kommt Sophia (Songwriter Robin Proper-Sheppard), am 6. November gibt\\'s Ezio und Sea + Air im Doppelpack. AF

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